London Studie provoziert britische EU-Skeptiker
London · Das Königreich profitiert der Regierung zufolge erheblich von Europa.
Eine von der britischen Regierung in Auftrag gegebene Studie liefert derzeit Stoff für hitzige Debatten. Der Untersuchung zufolge nützt die EU-Mitgliedschaft dem mehrheitlich euroskeptischen Land in Wahrheit viel mehr als sie ihm schadet.
Das Erstellen der Analyse wurde 2010 im Koalitionsvertrag zwischen den Liberaldemokraten und den Konservativen vereinbart. Allerdings lag das politisch brisante Mammutprojekt zunächst zweieinhalb Jahre auf Eis – bis die internen Tory-Querelen den Premier nötigten, einen deutlich aggressiveren Europa-Kurs einzuschlagen. Cameron ist eigentlich für den Verbleib seines Landes in der EU. Getrieben von den wachsenden Umfragewerten der europafeindlichen United Kingdom Independence Party, stellte der Tory-Chef im Januar dennoch widerwillig seinen Landsleuten ein EU-Referendum für 2017 in Aussicht. Der historischen Volksabstimmung über den Verbleib des Königreichs in der EU werden komplizierte Verhandlungen zwischen London und Brüssel über Kompetenzen und Ausnahmeregelungen vorangehen. Die detaillierte Untersuchung sollte die Downing Street dafür mit frischen Fakten und Argumenten ausstatten.
Eine Arbeitsgruppe des Außenministeriums unter William Hague trug in den vergangenen acht Monaten die Urteile 500 führender Unternehmen, Organisationen und Experten zu sechs wichtigen Einflussbereichen der EU auf der Insel zusammen: Wirtschaft, Entwicklungshilfe, Gesundheits- und Steuerpolitik, Außenpolitik und Lebensmittelsicherheit. Die Mehrheit kam zum Schluss, dass die britischen Nationalinteressen in keinem dieser Gebiete durch das angebliche "Diktat der Brüsseler Eurokraten" leiden würden. Vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht würde das Königreich sehr viel verlieren, sollte es den Anschluss an den europäischen Markt verlieren, heißt es im Dokument. Zwar enthält es auch Kritik an der EU-Bürokratie und -Regulierungswut. Doch die europafreundliche Aussage war für Cameron so offensichtlich, dass der Premier die Veröffentlichung in die Parlamentsferien schieben ließ. So war die Studie, wie geplant, fast vollkommen im royalen Baby-Trubel der vergangenen Tage untergegangen.