Berlin Studie hält Contergan-Opfer für schlecht versorgt

Berlin · Wissenschaftler empfehlen unter anderem höhere Geldleistungen. Fast alle Geschädigten leiden unter Schmerzen.

Contergan-Opfer fordern eine schnelle Verbesserung ihrer medizinischen Versorgung und finanziellen Lage. "Uns läuft die Zeit davon", sagte die Vorsitzende des Bundesverbands Contergangeschädigter, Margit Hudelmaier. Eine neue Studie zur Situation von Contergan-Opfern der Universität Heidelberg zeige, dass es sich um begründete Ansprüche und keine subjektiven Begehrlichkeiten handele.

Nach den Ergebnissen der Studie sind die Opfer in vielen Bereichen unterversorgt. "Die Betroffenen haben beeindruckende Kompensationsleistungen vollbracht. Wenn diese auch in Zukunft fortgesetzt werden sollen, bedarf es eines sehr viel differenzierteren, passgenauen Versorgungssystems", sagte der Leiter des Heidelberger Instituts für Gerontologie und Hauptautor der Studie, Andreas Kruse. Durch das Fehlen einzelner Gliedmaßen beanspruchten Betroffene andere Körperteile übermäßig. Bei vielen seien massive Verschleißerscheinungen der Gelenke wie Arthrosen und starke Schmerzen die Folge.

Zu den Empfehlungen zählen daher neben mehr Geld auch neue Zentren für eine bessere medizinische Versorgung sowie ein leichterer Zugang zu Hilfsmitteln. Angehörige um Hilfe zu bitten, werde schwerer, ergänzte Hudelmaier. Die meisten Eltern der Opfer seien heute über 80 Jahre alt, die Kinder oft aus dem Haus. Zudem habe nicht jeder Betroffene einen Partner.

Die Aachener Firma Grünenthal hatte das Schlafmittel 1957 auf den Markt gebracht. In Deutschland kamen bis 1962 etwa 5000 Kinder mit schweren Missbildungen vor allem an Armen und Beinen zur Welt – der größte Medikamentenskandal der deutschen Nachkriegsgeschichte.

Für die auf Beschluss des Bundestags erstellte Studie wurden 870 Betroffene und damit ein Drittel der noch lebenden Contergan-Opfer in Deutschland befragt. 84,2 Prozent klagten über Schmerzen als Folge ständiger Fehlhaltung. "Unsere Körper sind vorzeitig gealtert", sagte Hudelmaier. Am Freitag beschäftigt sich der Familienausschuss des Bundestags mit der Studie.

(dpa)
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