Streit um Moschee am Ground Zero

Im Süden Manhattans soll ein islamisches Zentrum gebaut werden. Während US-Präsident Obama die Religionsfreiheit betont, hagelt es Kritik seitens der Konservativen. Das Weiße Haus rudert inzwischen zurück.

New york Wenn Sally Regenhard vor eine Kamera tritt, dann immer mit einem Foto in den Händen. Einem Bild von Christian, ihrem Sohn. Es zeigt den 28-Jährigen, Feuerwehrhelm auf dem Kopf, inmitten schwarzer Rauchsäulen und verrußter Wolkenkratzer. Es ist die letzte Aufnahme, die es von Christian gibt, bevor die Zwillingstürme des World Trade Center einstürzten. "Nichts haben sie von ihm gefunden", klagt seine Mutter. Tränen schießen ihr in die Augen. Ground Zero, sagt Sally Regenhard, sei heiliger Grund. Dort eine Moschee zu bauen wäre ein Sakrileg. "Meinetwegen können sie überall bauen, nur nicht am Ground Zero."

Ein islamisches Zentrum am Ort des Terrorinfernos: Es geht um Toleranz und Religionsfreiheit, um Feindbilder und Feingefühl. Barack Obama hat, nach wochenlangem Schweigen, Farbe bekannt. "Als Bürger und als Präsident glaube ich, dass Muslime das Recht haben, ihre Religion so wie jeder andere in diesem Land zu praktizieren", sagte er im Weißen Haus bei einem Empfang zum Fastenmonat Ramadan. Das schließe das Recht ein, in Manhattan ein Gotteshaus zu errichten. "Dies ist Amerika, und unser Bekenntnis zur religiösen Freiheit muss unerschütterlich sein."

Genauso sieht es Michael Bloomberg, der Bürgermeister New Yorks. Bereits vor Tagen hielt der Geschäftsmann eine bewegende Rede. Als Kulisse wählte er die Freiheitsstatue. "Wir stimmen vielleicht nicht immer mit jedem unserer Nachbarn überein. Aber so ist das im Leben", sagte Bloomberg. Das gehöre zu New York, dieser vielfältigen und engen Stadt. Doch zu New York gehöre es eben auch, dem Nachbarn mit Respekt und Toleranz entgegenzutreten.

Park Place heißt die Adresse, zwei Häuserblöcke von Ground Zero entfernt. Früher wurden hier in der Burlington Coat Factory Mäntel genäht. Im Parterre sind die Rollläden heruntergelassen. Das Gebäude steht leer, beschädigt von den herumfliegenden Trümmern des Terrorinfernos. Der Bauunternehmer Sharif El-Gamal hat es gekauft. Er will die Abrissbagger anrücken lassen und danach ein islamisches Zentrum hochziehen. 13 Etagen hoch, mit Schwimmbad, Kunsthalle, Kochschule, Fitnesscenter, Restaurants – und Gebetsräumen.

Für die Konservativen undenkbar. Sarah Palin, das Glamourgirl der Republikaner, sprach von einem "Stich in amerikanische Herzen". Laut einer CNN-Umfrage lehnen 68 Prozent der US-Bürger die Moschee ab. "Barack Obama hat Amerika an der Stelle verlassen, wo vor neun Jahren das Herz Amerikas gebrochen wurde", wettert Debra Burlingame. Ihr Bruder war einer der Piloten der damals gekaperten Maschinen, die in das World-Trade-Center flogen.

Es gibt unter den Angehörigen der Opfer auch andere Stimmen. Etwa die von Adele Welty, deren Sohn Timmy, ein Feuerwehrmann, nicht zurückkehrte aus dem Katastropheneinsatz: "Wir dürfen uns keiner Sprache bedienen, die Furcht säen kann. Eine Furcht, die uns dazu bringt, die Freiheit anderer zu beschneiden."

"Ich bin kein Außerirdischer. Ich bin Amerikaner, New Yorker", betont auch El-Gamal, der ägyptische, polnische und amerikanische Wurzeln vorweisen kann. Cordoba House soll das Gebäude heißen. Pate steht die Stadt in Andalusien, in der Christen, Juden und Muslime friedlich zusammenlebten. Die Bürgerversammlung im Süden Manhattans gab dem Plan ihren Segen, mit 29 Stimmen gegen eine. Auch die benötigten Genehmigungen wurden bereits erteilt.

Politisch scheint das letzte Wort doch noch nicht gesprochen. Obama reagierte auf die Kritik, die auf ihn einprasselte. Er habe über das Prinzip geredet, nicht über eine konkrete Moschee. Mancher versteht es als halben Rückzieher.

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