Berlin Streit um Snowden fordert erstes Opfer

Berlin · Weil hinter den Kulissen heftig um eine Aussage des NSA-Enthüllers vor dem Bundestags-Untersuchungsausschuss gepokert wird, wirft Clemens Binninger, der Chef des Gremiums, bereits nach der ersten Sitzung hin.

Die Chronologie des Falles "Edward Snowden"
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Die Chronologie des Falles „Edward Snowden“

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Hoch gewachsen, seriös gewandet und wohlüberlegt in seinen Äußerungen — so hat sich der CDU-Abgeordnete Clemens Binninger einen Namen als Chefaufklärer der Union im Morast von Naziterror und Behördenversagen im Umfeld der NSU-Mordserie gemacht. Der Richtige also, um nun den Vorsitz im NSA-Untersuchungsausschuss rund um die Abhörpraxis der US-Geheimdienste in Deutschland zu führen. Und deshalb will ihm auch kaum einer so recht glauben, dass er erst nach der konstituierenden Sitzung des Gremiums gemerkt haben will, welche Interessenkollisionen mit seinem Job als Chef des geheim tagenden Parlamentarischen Kontrollgremiums existieren, und deshalb seinen sofortigen Rücktritt erklärte. Aber dann fällt das entscheidende Wort doch noch: Snowden. Es geht um den Willen der Opposition, den NSA-Enthüller Edward Snowden in Berlin vor dem Ausschuss aussagen zu lassen.

Die Grünen wollen den Mann, den die USA als Verräter suchen, aus seinem Moskauer Übergangsdomizil unbedingt nach seinem Wissen als ehemaliger Mitarbeiter der Nationalen Sicherheits-Agentur und deren schier unstillbarem Überwachungshunger befragen. Und sie sind fest entschlossen, diesen Wunsch Wirklichkeit werden zu lassen. Mit dem Minderheitenrecht der Opposition ist auch die Handhabe verbunden, bestimmte Zeugen durchzusetzen. Die Bundesregierung sei dem Ausschuss gegenüber zudem zur Amtshilfe verpflichtet, um Snowden zu schützen, erläutert Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele. Falls die Regierung sich weigere, werde man sie auf dem Rechtsweg dazu zwingen, kündigt er an.

Er hat vergangenen Herbst Snowden in Moskau besucht und von ihm die Botschaft mitgebracht, in Deutschland in sicherer Umgebung aussagen zu wollen. Die Bundesregierung reagierte äußerst zurückhaltend. Weil es sich Kanzlerin Angela Merkel mit US-Präsident Barack Obama nicht verscherzen wolle, mutmaßen die Grünen — und streuen den Verdacht, massiver Druck aus dem Kanzleramt könne den plötzlichen Rücktritt Binningers plausibel machen. Die Unionsführung bemüht sich daraufhin um Klarstellung: Es habe keinerlei Versuche der Beeinflussung gegeben. Der Rücktritt Binningers sei einfach "bedauerlich".

Doch auch Binninger selbst gibt einen Fingerzeig. Weil die Opposition bei der ersten Sitzung klargemacht habe, ausschließlich die Vernehmung Snowdens in den Mittelpunkt stellen zu wollen, sei eine "sachdienliche Zusammenarbeit aller Fraktionen nicht möglich", erklärt Binninger. Hinzu komme, dass diese Fixierung auf Snowden zu Aufgabenkonflikten mit seiner Arbeit als Chef der parlamentarischen Geheimdienstkontrolle führe. Deshalb der vollständige Rückzug aus dem Ausschuss.

Die Unionsführung entschließt sich nach Binningers Schritt, den bisherigen Obmann ihrer Fraktion im Untersuchungsausschuss, Patrick Sensburg, mit dem Vorsitz zu betrauen. "Hartnäckig" will dieser nach eigener Aussage nun an einem Konsens zwischen großer Koalition und Opposition arbeiten. Bei der Gretchenfrage nach dem Snowden-Auftritt bleibt er geschmeidig: Er sei nicht generell dagegen, aber erst müsse man doch klären, welche Fragen es an Snowden gebe und welche Rahmenbedingungen denkbar seien.

(may-)
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