Treffen der Ministerpräsidenten Länder fordern Energiepreisdeckel

Analyse | Düsseldorf · Beim Sondertreffen der Länderchefs in Berlin gab es erheblichen Abstimmungsbedarf. Am Ende präsentierte NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) die einstimmige Forderung nach Deckelung der Preise für Strom, Gas und Wärme – möglichst bald.

NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU), bei einer Pressekonferenz nach der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) in der NRW-Landesvertretung in Berlin.

NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU), bei einer Pressekonferenz nach der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) in der NRW-Landesvertretung in Berlin.

Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

Nach langwierigen Abstimmungen untereinander haben die Ministerpräsidenten der Länder bei ihrem Sondertreffen in Berlin die einstimmige Forderung nach einem Energiepreisdeckel vorgelegt. Es war das vorläufig letzte Treffen der Länderchefs unter Vorsitz des NRW-Ministerpräsidenten Hendrik Wüst (CDU). Der bekräftigte nach dem Treffen die Forderung an den Bund, möglichst bald einen Vorschlag vorzulegen, wie ein solcher Preisdeckel für Strom, Gas und Wärme aussehen könnte. Und wie er finanziert werden solle. Die Länder seien sich einig, dass die Bürger zielgenau entlastet werden müssten, das bedeute, es müsse spezifische Hilfen für untere und mittlere Einkommen geben, für Pendler sowie für kleine und mittlere Unternehmen. Man brauche „klare, verständliche und zügige Lösungen“ aus Berlin. Als weitere Forderung nannte Wüst einen Schutzschirm für die Stadtwerke, Steuersenkungen und mahnte wie bereits im Vorfeld eine „faire Lastenverteilung“ zwischen Bund und Ländern an. Konkret bezog er sich etwa auf die Wohngeldfinanzierung, die Krankenhausfinanzierung im Hinblick auf steigende Energie- und Unterhaltskosten, verbindliche Zusagen für den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs als Voraussetzung für eine Einigung über eine Nachfolge für das 9-Euro-Ticket sowie Unterstützung für die Länder bei den Kosten für Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen.

Wüst hatte im Vorfeld der Gespräche die gemeinsame Verantwortung von Bund, Ländern und Kommunen betont und gesagt, man wolle ein „Signal der Hoffnung“ senden. Doch dann zeigte sich bei der Abstimmung einer gemeinsamen Position zwischen den Ländern mit CDU- und mit SPD-Regierungsbeteiligung so viel Konfliktpotenzial, dass das Treffen der Länderchefs erst mit vier Stunden Verspätung beginnen konnte. Nicht nur die Kostenaufteilung zwischen Bund und Ländern ist also weiterhin strittig, auch die Länder untereinander haben schwer gerungen. Dabei herrscht Einigkeit darüber, dass die Zeit drängt.

Eigentlich hatte es direkt nach dem Treffen der Länderchefs ein Gespräch mit Olaf Scholz (SPD) geben sollen. Doch das wurde auf Bitten des Kanzlers wegen seiner Corona-Infektion auf kommenden Dienstag verschoben. Bei diesem Treffen wird dann statt Wüst turnusgemäß Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) als neuer Vorsitzender der Ministerpräsidentenrunde neben dem Kanzler vor die Kameras treten. Am 9. Oktober wird in Niedersachsen gewählt. Der prominente Auftritt könnte Weil im Wahlkampf-Endspurt nutzen.

Die Ministerpräsidenten wehren sich vehement gegen zu hohe Kostenlasten und kritisieren den Stil der Ampelkoalition, die sich bei ihren Entlastungsplänen nicht mit den Ländern und Kommunen abgestimmt hatte. Einzelne Länder drohten bereits mit Blockaden im Bundesrat.

Es sei eine „gute Nachricht“, dass die Länder nun einen Energiepreisdeckel unterstützten, sagte der NRW-Oppositionsführer Thomas Kutschaty (SPD). Die kaum zu stemmenden Preise dürften nicht bei Haushalten und Unternehmen ankommen. Allerdings kritisierte er, dass Wüst eine Wunschliste an den Bund gegeben habe, aber keine eigenen Angebote zur Krisenbewältigung mache. Wüst müsse den Konsens der Länder nun mit nach NRW nehmen und nach dem Vorbild anderer Bundesländer ein eigenes Unterstützungspaket auf den Weg bringen, sagte Kutschaty.

Auch NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) begrüßt die einstimmige Forderung nach einem Preisdeckel für Energie, damit die Bürger Planungssicherheit bekämen. Auch Neubaur mahnt eine faire Lastenverteilung an, damit das dritte Entlastungspaket den Ländern nicht „die Luft zum Atmen“ raube. Der Bund müsse bei seinem Anteil deutlich drauflegen. „Dann können wir in NRW eigene Akzente setzen und die Bundeshilfen durch Maßnahmen ergänzen, die für Wirtschaft und Gesellschaft in unserem Land bedeutsam sind“, so Neubaur.

Auch der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, unterstützte die Forderung nach einem Energiepreis-Deckel, sieht aber die Länder stärker in der Pflicht: „Es gibt sicherlich prinzipiell bessere Lösungen als eine Strom- und Gaspreisebremse, aber in dieser Notlage ist eine solche Bremse die beste Option“, sagte Fratzscher unserer Redaktion. „Wenn man sie klug ausgestaltet, kann sie sowohl die richtigen Anreize für Einsparungen setzen als auch eine merkliche Entlastung für Unternehmen und Menschen mit mittleren und geringen Einkommen schaffen“, so der Ökonom. Zugleich forderte er eine stärkere finanzielle Beteiligung der Länder bei den geplanten Entlastungen. „Auch die Bundesländer sollten mehr Verantwortung übernehmen und nicht den allergrößten Teil der Finanzierung auf den Bund schieben, zumal die meisten Bundesländer finanziell vergleichsweise gut dastehen“, betonte Fratzscher.

Der Mittelstand schlug am Mittwoch regelrecht Alarm, da er sich bei den Entlastungen nicht ausreichend berücksichtigt sieht. Der Unmut im Mittelstand werde „von Tag zu Tag größer“, sagte der Geschäftsführer des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft, Markus Jerger, unserer Redaktion. Der Mittelstand brauche Entlastungen – „und zwar jetzt und sofort“, so Jerger.

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