Technokrat und Volkstribun Stoiber führt die Union in den Wahlkampf

München (rpo). Zum zweiten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik stellt die CSU den Kanzlerkandidaten. Der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber tritt bei der Wahl am 22. September gegen Kanzler Gerhard Schröder an. Um die Wahlbeteiligung müssen sich Union und SPD bei diesem Duell keine Sorgen machen.

München (rpo). Zum zweiten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik stellt die CSU den Kanzlerkandidaten. Der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber tritt bei der Wahl am 22. September gegen Kanzler Gerhard Schröder an. Um die Wahlbeteiligung müssen sich Union und SPD bei diesem Duell keine Sorgen machen.

Nach monatelangem Machtkampf war die Entscheidung am Freitagmorgen bei einem Gespräch Merkels mit Stoiber im oberbayerischen Wolfratshausen gefallen. "Wir haben bei diesem Frühstück vereinbart, dass Edmund Stoiber der Kanzlerkandidat der Union für die Bundestagswahl 2002 sein wird", sagte Merkel am späten Nachmittag bei der Klausursitzung der CDU in Magdeburg. Zahlreiche Unions-Politiker wiesen die Kritik von SPD, Grünen und PDS zurück, Merkel sei damit politisch schwer beschädigt.

Sie habe immer gesagt, Kanzlerkandidat der Union solle derjenige werden, der die größten Siegeschancen habe, begründete Merkel ihren Vorschlag. Dazu gehörten die Befähigung und die Aussichten auf eine geschlossene Unterstützung des Kandidaten in der Union. "Ich glaube, dass die Geschlossenheit in der Union mit einem Kanzlerkandidaten Stoiber hervorragend herzustellen ist."

Umfrage spricht für Stoiber

In der Frage der Kanzlerkandidatur hatte sich Stoiber laut einer ZDF-Umfrage zuvor weiter von Merkel abgesetzt. Nach dem am Freitag veröffentlichten ZDF-Politbarometer Spezial sprachen sich Anfang Januar 61 Prozent der Unionswähler für Stoiber aus, vier Prozentpunkte mehr als im Vormonat. Merkel sackte um einen Punkt auf 24 Prozent ab. Merkel sagte, sie werde zusammen mit Stoiber ihren Beitrag leisten, dass die Siegeschancen der Union bei der Bundestagswahl Realität werden - "und zwar aus tiefer Überzeugung und mit großer Leidenschaft". Stoiber hatte noch vor gut einem Jahr eine Kanzlerkandidatur für sich "definitiv" ausgeschlossen. Nach der Entscheidung sagte Stoiber in München: "Ich bin bereit, meine Kraft und Erfahrung für ganz Deutschland einzusetzen."

Stoiber strebt nach der Bundestagswahl eine Koalition mit der FDP an. Die FDP sei der einzige potenzielle Partner der Union, sagte Stoiber in der ARD-Sendung "Farbe bekennen". Nach Angaben des Bayerischen Rundfunks kündigte er für den Fall eines Wahlsieges an, die Ökosteuer nicht weiter zu erhöhen, den Atomausstieg rückgängig zu machen und die Novelle des Betriebsverfassungsgesetzes erneut zu überarbeiten. Für den Fall einer Wahlniederlage wolle er bayerischer Ministerpräsident werden, sagte Stoiber.

"Es wird eine Wahlkampfkommission geben, die von den beiden Parteivorsitzenden geleitet wird", kündigte Merkel an. In absehbarer Zeit werde eine Mannschaft mit den "verschiedenen Kompetenzfeldern" vorgestellt. Sie selbst werde keines dieser Felder übernehmen. Der Wahlkampf der CDU in Berlin werde weiter unter der Leitung von Generalsekretär Laurenz Meyer stehen.

SPD, Grüne, PDS: Merkel politisch schwer beschädigt

Merkel ist nach Ansicht von SPD, Grünen und PDS durch ihren Verzicht politisch schwer beschädigt. Merkel sei gezwungen worden, Stoiber den Vortritt zu lassen. Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) sprach von einer "ganz großen Intrige". SPD-Generalsekretär Franz Müntefering sagte: "Edmund Stoiber ist seit heute Vorsitzender der CDSU, Angela Merkel wird Abteilungsleiterin der CDU."

Nach Einschätzung von mehreren Mitgliedern von CDU-Präsidium und -Vorstand ist Merkel dagegen gestärkt aus dem Verfahren um die Kanzlerkandidatur hervorgegangen. Unionsfraktionschef Friedrich Merz würdigte den Verzicht Merkels als "souveräne, großartige Entscheidung". Müntefering sagte, Stoiber bewege sich "politisch rechts der Mitte".

Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth sagte, mit Stoiber habe sich "der rückwärts gewandte Teil" in der Union durchgesetzt. Jetzt erwarte sie einen Richtungswahlkampf. Kurt Beck sagte in Mainz, Merkel sei zweifellos von Parteifreunden zum Verzicht gedrängt worden. Der Regierungschef von Mecklenburg- Vorpommern, Harald Ringstorff (SPD), sagte in Schwerin, das Votum für Stoiber sei eine Entscheidung gegen Ostdeutschland. "Stoiber hat sich in den letzten Jahren systematisch für Kürzungen beim Aufbau Ost eingesetzt."

PDS-Chefin Gabi Zimmer und Fraktionschef Roland Claus erklärten: "Die Union hat die K-Frage als M(änner)-Sache gelöst und dabei Angela Merkel demontiert." FDP-Chef Guido Westerwelle sieht die Chancen seiner Partei bei der Bundestagswahl durch die Kandidatur des CSU-Vorsitzenden gestiegen. FDP-Vize Jürgen Möllemann erklärte, die Entscheidung der Liberalen, ohne Koalitionsaussage in den Bundestagswahlkampf zu ziehen, bleibe von Stoibers Kandidatur unberührt.

(RPO Archiv)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort