Stille Medien-Mächtige

Anke Schäferkordt zieht als erste Frau in den Vorstand des größten europäischen Medienkonzerns ein. Sie hat den Kölner Sender RTL zum Marktführer in Deutschland gemacht.

Düsseldorf RTL ist der – an den Einschaltquoten gemessen –erfolgreichste Sender Deutschlands. Das Interesse der Zuschauer an seinem Programm erweckt er, indem er Menschliches auf dem Bildschirm ausstellt: Ehrgeiz, Einsamkeit, Unvermögen, Hoffnung auf Besserung individueller Lebenslagen. Wer in "Deutschland sucht den Superstar" auftritt, wer im Dschungelcamp mit dem offiziellen Namen "Ich bin ein Star, holt mich hier raus" mitmacht, wer bei "Bauer sucht Frau" auf künftige Zweisamkeit hofft, wer den "Restauranttester" Rach einlädt, um seine Kneipe vor dem Bankrott zu retten, muss ziemlich viel von sich preisgeben.

Ganz anders die Frau, die mit diesen und etlichen anderen Sendungen den Kölner Sender an die Spitze der Beliebtheitsskala gehoben hat: Die 49-jährige Anke Schäferkordt lässt Medien an sich nur heran, wenn das ihre Stellung als RTL-Chefin erforderlich macht. Sie redet über ihren Beruf, nicht über sich. "Ich habe in meinem ganzen Leben noch keine Homestory gemacht, obwohl es ständig Anfragen dafür gibt", sagte sie im Mai vergangenen Jahres der "Zeit". Über ihr Privatleben ist deshalb im Internet auch nur zu erfahren, dass sie seit mehr als 20 Jahren mit einem Historiker zusammenlebt, der im Bonner "Haus der Geschichte" arbeitet, dass sie Tennis spielt und joggt.

Aussagekräftiger ist ihre Karriere, die sie jetzt in den Vorstand von Europas größtem Medienkonzern, Bertelsmann, geführt hat. Ihr Vater betrieb in einem Dorf beim ostwestfälischen Lemgo eine Gastwirtschaft. Sie, 1962 in Lemgo geboren, studierte in Paderborn Betriebswirtschaft. Ihr Berufsleben begann 1988 mit einem Trainee-Programm bei Bertelsmann. Drei Jahre später wechselte sie zu dem zu Bertelsmann gehörenden Sender RTL in Köln. Ein Jahr später leitete sie dort die Abteilung Controlling, wiederum ein Jahr später wurde sie Bereichsleiterin Unternehmensplanung und Controlling.

1995 wechselte Schäferkordt zum – ohne öffentliches oder Zuschauer-Echo dahindümpelnden – Bertelsmann-Sender Vox, den sie mit einer Mischung aus Eigenproduktionen und US-Lizenzsendungen in die Gewinnzone führte. Sie konnte mehr, als nur mit Zahlen jonglieren. Prompt wurde sie auch außerhalb der Bertelsmann-Welt bekannt. Im Jahr 2005 ging sie zurück zu RTL, wurde erst stellvertretende Geschäftsführerin, bald darauf Chefin.

Die hält sich, ohne es zu formulieren, an eine Einsicht des Gründer-Chefs von RTL Deutschland, Helmut Thoma: Der Wurm muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler. Das bedeutet: Nicht der Geschmack der Chefin ist für das Programm des Senders wichtig, sondern der Geschmack der Zuschauer. Und auch nicht der Geschmack aller Zuschauer, sondern der der Mehrheit der Zuschauer zwischen 14 und 49 Jahren. Denn diese gelten, ebenfalls nach einem wohl von der Wirklichkeit bestätigten Diktum Helmut Thomas, als die Altersgruppe, die für Fernseh-Botschaften der Werbewirtschaft am empfänglichsten ist. RTL ist ein Privatsender. Er bekommt keine Gebühren wie ARD und ZDF, er muss möglichst viele Zuschauer an sich binden, die für die Werbung interessant sind.

Anke Schäferkordt beherrscht diese Disziplin. Ihr ehemaliger Chef, der jetzt zu einem Unternehmen des Amerikaners Ted Turner wechselnde Gerhard Zeitler, lobte: "Sie vereint extrem gutes Programm-Verständnis mit exzellenter Führungsqualität, und ihre wirtschaftlichen Ergebnisse sind einfach hervorragend."

Junge Zuschauer etwa erreicht der Sender durch eine Sprache, die Vereinfachungen nicht scheut. Günther Jauchs "Wer wird Millionär?" erfreut sich besonders des Zuspruchs junger Frauen. Für Männer gibt es die Exklusiv-Übertragungen der Formel 1. Kritik am Programm wehrt sie oft mit der Bemerkung ab, die Zuschauer hätten ein Recht auf Unterhaltung und seien intelligenter, als Kritiker vermuteten. Deswegen seien erfundene Problemfälle auf dem Bildschirm ebenso berechtigt wie die Darstellung realer Notlagen.

Meinungsführer in politischen Debatten zu sein, strebt sie – laut "Zeit"-Interview – erst gar nicht an: "Ich kann oder möchte mir gar nicht vorstellen, dass es erst unserer Sendungen bedarf, damit ein Thema, das virulent ist in der Gesellschaft, in der Politik ankommt. Das wäre vermessen." Lieber hört sie zu: "Nach einer großen Show ist es auch spannend, Bahn zu fahren und zu hören, was die Menschen reden."

Gelangweilt fühlt sie sich, wenn sie auf ihre Rolle als Frau angesprochen wird. Das "Manager Magazin" beschied sie vor einem Jahr: "Es gab eine Zeit, da fing jedes Interview mit der Frage an: Wie ist es denn so als Frau? Was ist das für eine Frage? Wie ist es denn so als Mann?"

So ganz gleichgültig wird ihr das alles aber auch nicht sein. Der neue Bertelsmann-Chef Thomas Rabe, der sie mit Guillaume de Posch an die Spitze der internationalen RTL-Group stellt und in den Vorstand des Gesamtkonzerns (15,8 Milliarden Euro Umsatz) holt, betont, dass erstmals eine Frau in die Konzernspitze kommt: "Ich bin der festen Überzeugung, dass gemischte Teams einen Wettbewerbsvorteil darstellen."

(RP)
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