Verlust im dreistelligen Milliardenbereich möglich Steuerschätzung bringt Horror-Zahlen

Lübbenau/Berlin (rpo). Bund, Länder und Kommunen müssen sich bei der Steuerschätzung auf Horror-Zahlen gefasst machen. Ein Verlustbetrag im dreistelligen Milliardenbereich sei möglich. In jedem Fall werde das Ergebnis "desaströs" sein, hieß es aus dem Arbeitskreis Steuerschätzung.

Die stark verringerte Konjunkturprognose der Bundesregierung mache eine drastische Korrektur der Vorhersage aus dem Frühjahr 2002 notwendig, verlautete aus Kreisen des Expertengremiums, das seit Dienstag im brandenburgischen Lübbenau tagt. Bei der Mai-Prognose war Rot-Grün noch von 1,5 Prozent Wachstum ausgegangen. Inzwischen erwartet sie 0,75 Prozent, was nationale und internationale Konjunkturforscher und Organisationen für zu hoch halten. Im Arbeitskreis sei es zu einer heftigen Debatte über die Prognose gekommen. Das Ergebnis der Schätzung wird Finanzminister Hans Eichel am (morgigen) Donnerstag in Berlin verkünden.

Trotz des Neins der Bundesregierung ging die Diskussion über eine Mehrwertsteuererhöhung bei gleichzeitiger Senkung der Sozialversicherungsbeiträge weiter. Auf diese Weise würde sichergestellt, dass bei der Sozialreform "alle einen Beitrag leisten", sagte die schleswig-holsteinische Ministerpräsidentin Heide Simonis im Südwestrundfunk. Die SPD-Politikerin verteidigte auch den Vorschlag aus den eigenen Reihen, die Steuerfreiheit für Nacht-, Feiertags- und Sonntagszuschläge zu streichen.

Der bayerische Regierungschef Edmund Stoiber (CSU) und Bundesbankpräsident Ernst Welteke warnten vor weiteren konjunkturfeindlichen Steuererhöhungen. Die Haushaltskrise müsse durch verstärktes Sparen und Strukturreformen beseitigt werden, sagte Welteke der "Berliner Zeitung". Bei einer Zuspitzung der Lage könne auch eine Anhebung der Mehrwertsteuer nötig werden.

Stoiber für Ende der Steuerdiskussion

"Schluss mit der unsäglichen Steuerdiskussion", forderte Stoiber laut "Bild"-Zeitung. Das gelte auch für Vorstöße aus der Union. Notwendig seien "verlässlich festgelegte Steuersenkungen" in den nächsten fünf Jahren. Stoiber reagierte damit auf den Vorschlag des Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt, Wolfgang Böhmer (CDU), bei der Mehrwertsteuer draufzusatteln, wenn im Gegenzug die Lohnnebenkosten gesenkt werden.

Stoiber sprach sich nach Angaben der "Bild"-Zeitung auch gegen die Idee aus, die steuerfreien Schichtzuschläge zu überprüfen. CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer hatte sie in Frage gestellt, falls im Ergebnis die Steuerlast sinke. Die Anregung kam von Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD). Simonis sagte dagegen im Südwestrundfunk, die Frage sei berechtigt, ob ein Unternehmer, der nachts arbeiten lasse, Teile der Entlohnung der Allgemeinheit aufbürden dürfe.

Trotz der Haushaltskrise ist eine EU-Geldstrafe gegen die Bundesrepublik wegen eines Verstoßes gegen die Euro-Vorgaben derzeit kein Thema. Ein Sprecher von EU-Finanzkommissar Pedro Solbes bestätigte die Einschätzung Eichels. Sollten die eingeleiteten Maßnahmen der Bundesregierung keine Wirkung zeigen, würde die EU-Kommission zunächst weitere, konkrete Empfehlungen abgeben, hieß es in Brüssel.

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