Der SPD-Spitzenkandidat unter Beschuss Steinbrücks Stolper-Start

Berlin · Statt inhaltlich mit Anti-Merkel-Konzepten punkten zu können, hat der SPD-Kanzlerkandidat mit Nebentätigkeiten zu tun, die ihn möglicherweise zum Millionär gemacht haben. Als Genosse des Geldes hat er auch nach einer Woche die perfekte Abwehr-Strategie noch nicht gefunden.

Sein Vor-Vorgänger als Kanzlerkandidat konnte der Bezeichnung "Genosse der Bosse" noch etwas abgewinnen, zeigte sich darin doch, dass Gerhard Schröder es aus einfachsten Verhältnissen geschafft hatte, beste Kontakte zu den wichtigsten Konzernlenkern aufzubauen. Kanzlerkandidaten-Nach-Nachfolger Peer Steinbrück dagegen hat längst die Nase voll davon, als Genosse des Geldes wahrgenommen zu werden. So überraschend die "Sturzgeburt" seiner Kandidatur auch kam, so gezielt hatte er sich doch darauf vorbereitet, mit inhaltlichen Konzepten, etwa zur Finanzmarktregulierung, die Meinungsführerschaft zu gewinnen. Stattdessen ist sein Start mit dem Thema Vortragshonorare verstolpert.

Dabei geht es in erster Linie nicht einmal um den Vorwurf, Politisches und Privates vermengt zu haben. Der "Spiegel" förderte zwar eine Zusammenarbeit zutage, die aufhorchen lässt. Danach hielt Steinbrück Vorträge bei Firmen, die zu seiner Zeit als Finanzminister am Konzept einer Beratungsfirma für öffentlich-private Partnerschaftsmodelle beteiligt waren. Das Finanzministerium hatte sich danach mit 50 Prozent an dem Unternehmen beteiligt. Daraus aber einen konkreten Vorwurf drehen zu wollen, erscheint als zu konstruiert, so wie auch Steinbrücks Gebaren ausweislich dokumentierter Reden alles andere als eine Anbiederung oder politische Gefälligkeit gegen Geld darstellt. Tatsächlich zahlten Banken gutes Geld dafür, sich von Steinbrück rhetorisch aufgeladen verprügeln zu lassen.

Von Anfang an hatte seine Tätigkeit daher für ihn "nichts Ehrenrühriges", zumal er sich exakt an die Vorschriften gehalten und alle Nebeneinkünfte entsprechend den Formvorgaben des Abgeordnetengesetzes angegeben hatte: Einkünfte zwischen 1000 und 3500 Euro in "Stufe 1", Einkünfte bis 7000 Euro in "Stufe 2" und Einkünfte von mehr als 7000 Euro in "Stufe 3". Steinbrück hatte ein Abo für Stufe 3: Unter mindestens 80 Vorträgen, die er seit 2009 gehalten hat, lag das Entgelt dafür bei 76 in Stufe 3.

Das alles ist also kein rechtliches Problem. Sondern ein politisches. Denn für Steinbrück waren faktisch nicht seine Vortragshonorare die "Nebeneinkünfte", sondern die Diäten aus seinem Hauptberuf. An einem Abend bekam er für spitze Attacken auf die Finanzwelt von dieser dafür mehr Geld als für einen ganzen Monat Abgeordnetenarbeit vom Steuerzahler. Kenner des Steinbrück'schen "Marktwertes" halten die "mindestens 600 000 Euro" für zu bescheiden geschätzt. Das Doppelte sei realistischer. Dann wäre Steinbrück als vortragender Minister a.D. zum Millionär geworden. Und das ist natürlich eine Persönlichkeitsfacette, die das Interesse an einem sozialdemokratischen Kanzlerkandidaten von der inhaltlichen Politik aufs private Portemonnaie verschiebt.

Der Zick-Zack-Kurs des Kandidaten belegt, dass er die perfekte Abwehr-Strategie noch nicht gefunden hat. Als die "Neben"-Tätigkeiten zum Thema wurden, glaubte er es mit einer einfachen Erklärung bewenden lassen zu können. Er werde mit seiner Frau zusammen veranlagt, und deshalb könne er keine näheren Angaben machen. Am Wochenende verlangte er dann selbst, dass alle Abgeordneten "auf Heller und Pfennig angeben" müssten, von wem und wofür sie bezahlt wurden. Doch wenn er in ein paar Wochen alle Vorträge veröffentlicht, will er nur die durchschnittliche und nicht die konkrete Bezahlung dazustellen.

Der medial verstolperte Start hängt auch damit zusammen, dass es aus der Troika möglicher Kanzlerkandidaten nun ausgerechnet derjenige geworden ist, der die schlechtesten organisatorischen Voraussetzungen dafür hat. Sigmar Gabriel hätte den Apparat der Parteizentrale mobilisieren können, Frank-Walter Steinmeier den der Fraktion. Steinbrück hat derzeit nur sein kleines Abgeordnetenbüro.

Das wäre zunächst vielleicht nicht einmal aufgefallen, wenn die Spitzen-Genossen dem Spitzen-Verdiener energischer beigesprungen wären. Doch dort herrscht eher vornehme Zurückhaltung. Schon verweist der politische Gegner darauf, dass das Thema Nebeneinkünfte ja gar nicht von Union und FDP "hochgezogen" worden sei, sondern von den SPD-Linken. Damit passt die Causa "Genosse des Geldes" in das erwartete Bild eines Kandidaten, der weniger das Herz der SPD erwärmt als vielmehr von ihr viel "Beinfreiheit" verlangt. Diese Beine waren so frei, zunächst zu stolpern.

Internet Der Kandidat im Porträt: www.rp-online.de/politik

(may-)
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