Karenzzeiten von bis zu 18 Monaten Sperrfrist für Job-Wechsler aus der Politik

Berlin · Das Kabinett hat sich nach langer Debatte auf Karenzzeiten von bis zu 18 Monaten geeinigt. Eine Staatssekretärin wechselte noch rasch.

Die Parlamentarische Staatssekretärin im Verkehrsministerium, Katherina Reiche (CDU), muss sich an keinen neuen Arbeitsweg gewöhnen, wenn sie ab September die Hauptgeschäftsführung beim Verband kommunaler Unternehmen (VKU) übernimmt: Nur 140 Meter liegen zwischen ihrem bisherigen und künftigen Arbeitsplatz an der Invalidenstraße in Berlin-Mitte. Die 41-Jährige beweist mit dem Schritt eine gehörige Portion Kaltschnäuzigkeit. Denn just einen Tag nach Bekanntwerden ihres anstehenden Seitenwechsels hat das Kabinett gestern erste Auflagen für solche Karrierepläne ranghoher Politiker beschlossen. Für Reiche kommt das zu spät, denn es werden noch Monate vergehen, bis die neuen Regeln greifen.

Tritt die Änderung in Kraft, sollen Parlamentarische Staatssekretäre und Minister sehr früh der Regierung melden, wenn sie einen Job in der Wirtschaft anstreben. Eine Art Ethikkommission - die Besetzung ist noch unklar - soll dann nach ebenso unklaren Kriterien beurteilen, ob es zu Interessenkonflikten kommen kann. Wenn nicht, wäre der Wechsel schnell möglich. Wenn aber doch, dürfen Zwangspausen von bis zu 18 Monaten empfohlen werden - bindend ist das aber nicht.

Organisationen wie Transparency oder Lobby Control halten eine solche Karenzzeit für viel zu kurz. Sie fordern eine Zwangspause von drei Jahren, um den Einfluss der Lobbyarbeit durch Ex-Politiker zu schwächen. Denn Firmen könnten - im Tausch gegen ein zumeist sehr attraktives Gehalt - massiv vom eingekauften Politiker und dessen Kontaktnetzwerk sowie dessen tiefen Wissen über Gesetzgebungsprozesse profitieren, sagt Ulrich Müller, Vorstand von Lobby Control. "Wer Politiker, am besten ehemalige Regierungsmitglieder, für sich gewinnen kann, verspricht sich davon strategische Vorteile gegenüber Wettbewerbern", so Müller. Daneben hätten Unternehmen und Verbände auch deswegen ein Interesse an Ex-Politikern als Lobbyisten, "um durch deren Einfluss Einzelinteressen durchzusetzen, die nicht mehrheitsfähig sind", sagt Gregor Hackmack, Gründer des Online-Portals Abgeordnetenwatch.de.

Seine Kritik am Gesetzentwurf zielt auf die fehlenden Sanktionsmaßnahmen gegen Politiker ab, die ihren Wechsel nicht frühzeitig melden. "Ohne Sanktionen wäre einer Umgehung des Gesetzes Tür und Tor geöffnet", meint Hackmack.

Ausgerechnet das Kanzleramt habe sich, so Hackmack, zur "Kaderschmiede späterer Chef-Lobbyisten" entwickelt. Vor allem der Wechsel des früheren Kanzleramtschefs Ronald Pofalla zur Bahn hatte für Aufsehen gesorgt. In seiner vierjährigen Amtszeit, die im Dezember 2013 endete, hatte Pofalla enge Kontakte zu Bahnchef Rüdiger Grube gepflegt und ihn 30 Mal getroffen, wie vor einem Jahr aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Grünen-Anfrage hervorging. Bei seinen häufigen Kontakten mit Pofalla dürfte es ein Leichtes für Grube gewesen sein, Pofalla einen Posten im Bahn-Vorstand anzubieten. Grube versprach Pofalla ein eigens für ihn neu geschaffenes Vorstandsressort "Unternehmensstrategie und Kontakte zur Politik". Vergleichbare Vorstandsposten bei der Bahn sind mit bis zu 1,2 Millionen Euro pro Jahr dotiert. Wegen der massiven Kritik an Pofallas Wechsel und einer Intervention der Bundeskanzlerin einigte man sich darauf, den CDU-Politiker ab 1. Januar 2015 zunächst als "Generalbevollmächtigten für politische und internationale Beziehungen" unterhalb der Vorstandsebene einzusetzen. Er soll spätestens 2017 in den Vorstand rücken .

Ethisch anders gelagert waren aus Sicht der Lobby-Beobachter die Seitenwechsel ehemaliger FDP-Minister. Schließlich mussten die sich 2013 nach ihrem Ausscheiden aus dem Bundestag neue Jobs suchen - als problematisch werden die engen Verknüpfungen zwischen alter und neuer Tätigkeit aber dennoch gesehen: So ging Ex-Gesundheitsminister Daniel Bahr, im Amt zuständig für Krankenkassen, passenderweise zur Allianz Private Krankenversicherung. Und der einstige Entwicklungsminister Dirk Niebel wechselte zum Rüstungskonzern Rheinmetall. Aufgabengebiet: Internationale Strategieentwicklung und Regierungsbeziehungen.

(jd / mar)
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