Berlin SPD: Mehr gepunktet, als Kritiker vermuten

Berlin · Niedersachsens Innenminister sieht eine mögliche Groko mit "sozialdemokratischer Handschrift".

Unmittelbar vor dem SPD-Sonderparteitag haben führende Verhandler die Qualität des Sondierungsergebnisses mit der Union unterstrichen. "Das Papier bildet mehr ab, als man mit unserem Wahlergebnis eigentlich erreichen kann", sagte der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) unserer Redaktion. "Mir würde es wehtun, eine Koalition abzulehnen, die von einer derart sozialdemokratischen Handschrift geprägt wäre", meinte Pistorius. Zuvor hatte auch Parteichef Martin Schulz von einer "großen Liste von Erfolgen" gesprochen.

Viele Kritiker übersähen, dass es der SPD gelungen sei, eine regelrechte "Firewall um das Asylrecht und die Genfer Flüchtlingskonvention" zu ziehen, erläuterte Pistorius. Außerdem bekäme Deutschland ein modernes Einwanderungsrecht, möglicherweise sogar mit Punktesystem und Losverfahren. "Das käme alles nicht, wenn wir jetzt Nein sagen." Pistorius bezeichnete es als "Riesenerfolg", die Union zum Einwanderungsrecht gebracht zu haben.

Viele überläsen auch gerne, dass die Union erstmals dabei mitgehe, Flüchtlingen nicht nur eine rechtliche, sondern auch eine faktische Bleibeperspektive zu geben. "Das ist ein echter Paradigmenwechsel, den es ohne uns in der Regierung nicht geben wird", sagte Pistorius voraus. Auch diejenigen, die trotz abgelehnten Asylantrages kurzfristig nicht abgeschoben werden könnten, würden künftig den Zugang zu Sprachunterricht und Beschäftigung haben. Zu einer solchen Anerkennung einer faktischen Bleibeperspektive sei die Union bislang nie wirklich bereit gewesen.

Beim stark umstrittenen Familiennachzug und einer Beschränkung auf 1000 Menschen monatlich werde die SPD in möglichen Koalitionsverhandlungen mit der Union "dringend über Härtefallregelungen" reden müssen, und zwar zusätzlich. Zudem sollten die Koalitionäre Dinge rausnehmen, in denen sie sich nicht einig würden und bei denen auch aus einer gemeinsamen Regierung heraus nach eigenen Wegen zu suchen sei: "Das hält eine solche Koalition auch lebendig", sagte Pistorius.

Ein Sondierungserfolg der SPD schlägt sich bereits beim Waffenexport nieder: Die geschäftsführende Bundesregierung bestätigte, derzeit keine Genehmigungen für Waffen in Länder zu erteilen, die am Jemen-Krieg beteiligt sind. Diesen Satz hatte die SPD ebenfalls durchgesetzt.

(may-)
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