Vorbereitung auf die Zeit "2017 plus x" SPD macht sich Mut bei der Spargelfahrt

Berlin · Die Sozialdemokraten legen in der Regierung vor, wirken angesichts der Umfragen aber wie Hamster im Rad.

Gemütlich beginnt die Spargelfahrt nicht an diesem Abend. Die Wolken über dem Wannsee verheißen nichts Gutes, der Wind weht kalt an Deck der MS "Havel Queen". Im ersten Unterdeck herrscht trotzdem gute Stimmung. Thomas Oppermann, SPD-Fraktionschef, und Vizekanzler Sigmar Gabriel wollen Zuversicht verbreiten. Per Mikro sprechen sie zu ihren Parteifreunden und Gästen. Außenminister Frank-Walter Steinmeier ist an Bord. Umweltministerin Barbara Hendricks und Familienministerin Manuela Schwesig sind auch dabei. Die Lautsprecheranlage des Schiffes kann den Optimismus aber nur schwer transportieren.

Die Botschaft ist klar: Die SPD ist die treibende Kraft der Regierung. Mindestlohn, Rente - sozialdemokratische Träume, die nun endlich in Erfüllung gehen. Arbeitsministerin Andrea Nahles grinst. Mut ist das Gebot der Stunde. Die Sozialdemokraten hoffen, dass auch der Wähler die Erfolge honorieren wird. Wohl auch deswegen richtet Gabriel mit Blick auf die Europawahl schöne Grüße vom konservativen Spitzenkandidaten Jean-Claude Juncker aus, "an diejenigen, auf die er sich verlassen kann." Die SPD treibt an, auch in Europa.

Dabei mussten die Sozialdemokraten in den vergangenen Monaten lernen, auch für wenig dankbar zu sein. Bei der Europawahl bekamen sie 27,3 Prozent, ein bescheidenes Ergebnis für eine Volkspartei. In den bundesweiten Umfragen kommt die SPD nicht aus dem Knick: Sie liegt in der Sonntagsfrage stabil zwischen 24 und 26 Prozent. Vor dem Hintergrund, dass diese Partei ein Wahlversprechen nach dem anderen einlöst, ihre Minister eine gute Performance zeigen und auch ordentlich klappern in eigener Sache, ist das Verharren auf dem niedrigen Umfrageniveau erstaunlich.

Diese SPD regiert ausgesprochen diszipliniert. Parteichef Gabriel hält mittwochs vor dem Kabinett eine kleine Vorbesprechung ab. Dafür treffen sich die Minister in seinem Haus. Dort geht es auch immer um strategische Fragen: Wer spielt wann welches Thema öffentlich? In welchen Punkten können und müssen Kompromisse mit der Union geschlossen werden?

Trotz des klaren Regierungsstils bleiben die Umfragewerte festgefahren. Die Parteistrategen erklären dies damit, dass die Leute eben zufrieden seien mit ihrer Regierung. Also gebe es keinen Grund, die eigene Entscheidung bei der Bundestagswahl zu revidieren.

Ein weiterer Grund für die stetig guten Werte der Union in Umfragen mag der Ukraine-Konflikt sein. Auch die Kritiker der Kanzlerin räumen ein, dass sie eine gute Krisenmanagerin ist. Nach der Euro-Krise richten sich die Augen in Europa nun auf ihr Agieren gegenüber Kreml-Chef Wladimir Putin. Dass auch Außenminister Steinmeier erfolgreich vermittelt, honorieren die Wähler mit guten persönlichen Umfragewerten für den Sozialdemokraten. Es reicht aber nicht, der Partei insgesamt Auftrieb zu geben. Im Willy-Brandt-Haus ist mittlerweile die Erkenntnis gereift, dass es für die SPD schwer bleibt, solange Merkel fest im Sattel sitzt. Bislang ist unklar, ob Merkel erneut antreten will. Also bereitet man sich bei der SPD auf die Zeit "2017 plus x" vor.

Zurzeit deutet viel darauf hin, dass Gabriel als Kanzlerkandidat ins Rennen gehen könnte. Sein Amt als Wirtschafts- und Energieminister hat er bewusst gewählt: Kanzler kann nur einer werden, dem die Leute zutrauen, dass die Wirtschaft unter ihm läuft. Dennoch ist unklar, wie die SPD die Wähler zurückholen will, die einst zu Gerhard Schröders neuer Mitte gezählt wurden, die aber genauso gut eine Merkel-CDU oder den Realo-Flügel der Grünen wählen können. Typ: bürgerlich, modern, unideologisch, sozial eingestellt.

Die Sozialdemokraten sind umso mehr darauf angewiesen, selbst wieder an Prozenten zuzulegen, je schwieriger sich eine rot-rot-grüne Koalition auf Bundesebene darstellt. Die im Internet hunderttausendfach geklickte Wut-Attacke des Außenministers gegen linke Gegner seiner Ukraine-Politik illustrierte, wie weit die staatstragende SPD und die ideologisch aufgestellte Linke auseinanderliegen.

Doch selbst wenn sich bei der Linkspartei in außenpolitischen Fragen der Pragmatismus durchsetzen sollte, wäre ein rot-rot-grünes Linksbündnis noch nicht ausgemacht. Schwarz-Grün in Hessen läuft erstaunlich harmonisch und konstruktiv. Die Grünen haben nach dem Wahldebakel vom Herbst noch einen Häutungsprozess vor sich. Ob sie an dessen Ende für ihre Machtoption lieber auf Rot-Rot oder lieber auf die Union setzen, ist offen.

(jd, qua)
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