Hannover SPD kürt Steinbrück mit 93,5 Prozent

Hannover · Beim Bundesparteitag hat der SPD-Spitzenkandidat der Regierung Merkel den Kampf angesagt. Für eine große Koalition steht er nicht zur Verfügung. Auch der Linkspartei erteilte er eine Absage.

SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück hat mit einem klaren Bekenntnis zu Rot-Grün, scharfen Angriffen auf Kanzlerin Merkel sowie einem Plädoyer für eine Politik der sozialen Gerechtigkeit die Partei auf das Bundestagswahljahr eingeschworen. Die SPD wählte Steinbrück auf dem Sonderparteitag gestern in Hannover mit 93,45 Prozent der Stimmen zum Kanzlerkandidaten und Herausforderer von Kanzlerin Angela Merkel (CDU).

Bei der Bundestagswahl gehe es um eine Richtungsentscheidung, sagte Steinbrück. "Es ist Zeit für einen Wechsel." Gebraucht werde ein "neues Gleichgewicht". Durch die Wirtschafts- und Finanzkrise sei auch in Deutschland "etwas außer Lot" geraten. "Deutschland braucht wieder mehr Wir und weniger Ich." Für eine Wiederauflage der großen Koalition, in der er von 2005 bis 2009 unter Merkel Finanzminister war, stehe er "nicht zur Verfügung". Er wolle einen "ganzen Regierungswechsel" und keinen halben. Im ZDF schloss er später auch eine Koalition mit der Linkspartei aus.

In seiner 105 Minuten langen Rede ging Steinbrück auch auf die Kritik an den gut bezahlten Reden ein, die er als Abgeordneter gehalten hatte. Er bedankte sich bei seiner Partei für die Solidarität. "Meine Vortragshonorare waren Wackersteine, die ich in meinem Gepäck habe und leider auch Euch auf die Schultern gelegt habe." Zu Beginn wurde seine Rede durch ein Plakat von Greenpeace-Aktivisten gestört. Darauf stand in Anspielung auf die üppigen Honorare und die Energiepolitik der SPD: "Genug Kohle gescheffelt". Ordner in der Messehalle nahmen die Plakate nach einigen Minuten weg. Nach der Rede applaudierten die Delegierten mehr als zehn Minuten lang.

Steinbrück hatte auch für einen flächendeckenden Mindestlohn, verbindliche Frauenquoten in der Wirtschaft, die steuerliche Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften mit der Ehe sowie eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie geworben. Das geplante Betreuungsgeld werde die SPD zurücknehmen. Steinbrück kündigte an, eine "Staatsministerin für Gleichstellung" einzusetzen und warb für ein Energieministerium. Der Union warf er vor, unter Merkel zu einer "bloßen Machtmaschine" verkommen zu sein. "Das einzige programmatische Angebot ist: die Vorsitzende selber." NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft hatte die CDU in der Eröffnungsrede als "inhaltsleere Hülle" bezeichnet.

Der frühere SPD-Chef Hans-Jochen Vogel lobte die Wahl Steinbrücks. Er sei "für die Bewältigung der gegenwärtigen zentralen Herausforderungen eine besonders kompetente Persönlichkeit", sagte Vogel. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe warf Steinbrück inhaltliche Selbstverleugnung vor. "Prozente zählen für Peer Steinbrück mehr als das Programm. Er hat sich die vordergründige Unterstützung durch seine Genossen mit weitgehender inhaltlicher Selbstverleugnung erkauft", sagte Gröhe.

Leitartikel Seite A 2

Politik Seite A 4

(brö, qua)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort