Hannover/Berlin SPD gewinnt Wahl in Niedersachsen

Hannover/Berlin · Der Sieg bei der Landtagswahl in Niedersachsen ist der erste Wahlerfolg für die Sozialdemokraten in diesem Jahr. Das schlechte Abschneiden der CDU schwächt Kanzlerin Angela Merkel bei den Verhandlungen über eine Jamaika-Koalition.

SPD gewinnt die Wahl in Niedersachsen 2017
Foto: reuters

Drei Wochen nach ihrer historischen Niederlage bei der Bundestagswahl hat die SPD die Landtagswahl in Niedersachsen spektakulär gewonnen. Die Sozialdemokraten unter Ministerpräsident Stephan Weil legten deutlich zu und werden erstmals seit 1998 wieder stärkste Kraft im Landtag von Hannover. Trotz der spürbaren Verluste der Grünen hatte Rot-Grün lange die Chance auf eine hauchdünne Mehrheit. Demoskopen hielten es am späten Abend allerdings für unwahrscheinlich, dass es zu einer solchen Konstellation kommen würde. Die CDU mit Spitzenkandidat Bernd Althusmann rutscht bei der vorgezogenen Wahl auf ihr schlechtestes Ergebnis seit 1959 ab, nachdem sie in Umfragen lange klar geführt hatte. Die Wahlbeteiligung stieg auf rund 63 Prozent. 2013 hatte sie bei 59,4 Prozent gelegen.

SPD gewinnt die Wahl in Niedersachsen 2017
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Sollte es für Rot-Grün nicht reichen, wären eine große Koalition aus SPD und CDU, ein Ampel-Bündnis von SPD, FDP und Grünen sowie eine Jamaika-Koalition möglich. Über ein solches Bündnis von Union, FDP und Grünen im Bund verhandelt Kanzlerin Angela Merkel ab Mitte der Woche in Berlin. Eine Ampel in Niedersachsen schlossen sowohl FDP-Spitzenkandidat Stefan Birkner als auch FDP-Bundeschef Christian Lindner erneut aus. In Niedersachsen gebe es keine "sozialliberale Tradition", sagte Lindner.

Ursprünglich sollte die Wahl im Januar 2018 stattfinden. Doch am 4. August war völlig überraschend die Grünen-Abgeordnete Elke Twesten im Landtag zur CDU übergetreten. Damit verlor die rot-grüne Koalition ihre knappe Ein-Stimmen-Mehrheit, die viereinhalb Jahre problemlos gehalten hatte. Twesten war verärgert darüber, dass es ihr in ihrem Wahlkreis nicht gelungen war, von den Grünen erneut als Direktkandidatin aufgestellt zu werden. Ministerpräsident Weil hatte daraufhin vorgeschlagen, die Landtagswahl vorzuziehen.

In Hannover kündigte der Regierungschef an, er wolle mit allen Landtagsparteien außer der AfD über mögliche Koalitionen sprechen und werde notfalls auch wieder mit nur einer Stimme Mehrheit regieren. Das Ergebnis bezeichnete er als "fulminanten Erfolg": "Wir können zum ersten Mal seit der letzten Landtagswahl mit Gerhard Schröder wieder die stärkste Fraktion im Landtag werden, das ist großartig." Aus seiner Sicht sorgte auch der Gang der Bundes-SPD in die Opposition für Rückenwind.

Der nach der Schlappe bei der Bundestagswahl unter Druck stehende SPD-Chef Martin Schulz nannte den Wahlerfolg ermutigend. Schulz will sich trotz gescheiterter Kanzlerkandidatur im Dezember zur Wiederwahl stellen und die SPD im Bund in die Opposition führen.

Althusmann machte den Bundestrend der CDU mitverantwortlich für die Verluste seiner Partei: "Es war am Ende eher ein bisschen mehr Gegenwind." Dennoch sah er einen Auftrag der Wähler zum Mitregieren: "Auch wir, in welcher Konstellation auch immer, haben einen klaren Gestaltungsauftrag." Dies ginge rechnerisch in einer Jamaika-Koalition mit FDP und Grünen oder als Juniorpartner der SPD in einer großen Koalition.

Die FDP zeigte sich offen für Jamaika-Gespräche, die Grünen hielten sich bedeckt. "Ich appelliere an alle Parteien, dass wir jetzt keine Ausschließeritis machen", sagte der Bundesvorsitzende Cem Özdemir. Sein Parteikollege Jürgen Trittin befürchtet, dass die CDU-Pleite auch die Verhandlungen über eine Jamaika-Koalition im Bund erschwert. "Es ist immer schwierig, mit geschwächten Partnern zu verhandeln", sagte der frühere Bundesumweltminister.

CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer sprach von einem "erneuten Alarmsignal" für die gesamte Union: "Alle, die jetzt einen Sondierungsausflug nach Jamaika machen, tun gut daran, das Wahlergebnis genau zu analysieren. Denn alle potenziellen Jamaika-Partner haben verloren." Scheuer warnte: "Ein in der Öffentlichkeit schnell hochgejubeltes Jamaika-Bündnis sieht in der Realität an der Wahlurne ganz anders aus."

Die AfD schaffte knapp den Sprung in den Landtag und ist damit nun in 14 von 16 Landesparlamenten vertreten. Ein Grund für das vergleichsweise schwache Ergebnis dürften auch die Querelen im Landesverband gewesen sein. Parteichef Jörg Meuthen erklärte, der Fokus im Wahlkampf habe auf den großen Parteien gelegen.

Enttäuscht zeigte sich die Linke, die abermals an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterte. "Wir hätten mehr erwartet", sagte Parteichef Bernd Riexinger in Berlin. Allerdings zeigten die Zugewinne: "Der Trend geht auch in den westdeutschen Flächenländern nach oben."

(may-)
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