Berlin SPD auf dem Weg zurück zur Macht

Berlin · Berliner Krisen-Planspiele: Warum bei der Union eine neue Sehnsucht nach der großen Koalition wächst, das schwarz-gelbe Bündnis scheitern könnte, die SPD aber nur für eine kurze Krisenzeit den Helfer in der Not spielen würde, um dann Angela Merkel schon vor 2013 ablösen zu können.

Die SPD als Helfer in der Not? Mit jedem Tag scheinen den Christdemokraten die Sozialdemokraten attraktiver zu werden. Selbst Volker Kauder wechselt seine Wortwahl. Vor zwei Jahren noch hatte der Unionsfraktionschef die große Koalition gründlich satt. "Einmal alle 40 Jahre reicht. Auch mir persönlich", gab er in der Endphase von Schwarz-Rot zu Protokoll. Heute würdigt er die "Verdienste" und bewundert die "bemerkenswerte Weise", mit der es Angela Merkel und Peer Steinbrück 2008/09 gelungen sei, die Finanzkrise zu bewältigen. Läuft sich da einer warm für eine Neuauflage der großen Koalition? Viele Planspiele drehen sich derzeit um die möglichen Optionen.

Kauder selbst setzt darauf, dass sich die Koalition noch einmal fängt. Aber er legt eine Messlatte auf. Denn der Merkel-Vertraute verknüpft den Verweis auf das Traumpaar Merkel/Steinbrück mit der Bemerkung, dass dieses "jetzt auch von der christlich-liberalen Koalition erwartet" werde. Kauder gibt das Funktionieren von Merkel/Steinbrück als Blaupause für Merkel/Rösler just in einer Woche heraus, in der es Merkel einfach nicht gelingt, ihren Vizekanzler einzufangen, wiewohl sie öffentlich warnt und täglich mit ihm spricht.

Es ist damit die Warnung an die FDP, die Koalition nicht scheitern zu lassen. Partnerwechsel während der laufenden Wahlperiode? Das gab es zuletzt 1982. Und wie heute machte sich auch damals die FDP Gedanken über den Kurs der Kanzlerpartei. Wirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff schrieb vor 29 Jahren ein Positionspapier über die nötige Politik für Wirtschaft und Arbeit, das SPD-Kanzler Helmut Schmidt als "Scheidungspapier" begriff. Wenig später war Rot-Gelb Geschichte, machte die FDP Helmut Kohl zum Kanzler.

Auch drei Jahrzehnte später hadert die FDP mit ihrem Partner und fragt sich, ob der ihr genügend Profilierungsraum gibt. Anders als damals hat sie aber keine Alternative im Parlament. Selbst wenn sie wider Erwarten inhaltlich zusammenkämen, könnten weder FDP und SPD allein noch FDP, SPD und Grüne Merkel stürzen. Aber auch eine der FDP überdrüssige Union könnte nicht einfach zu den Grünen wechseln. Nur die große Koalition hätte wieder eine realistische Mehrheit.

So groß die Sehnsucht bei der Union nach einem verlässlichen Partner in der Krise auch werden mag – die SPD wird sich darauf schwerlich einlassen. Derzeit müsste sie sich nicht einmal sonderlich anstrengen, um bei vorgezogenen Neuwahlen mit den Grünen die Macht zurückzubekommen. Sie hat außerdem aus dem letzten Bündnis mit Merkel gelernt: der Erfolg ging mit der Kanzlerin nach Hause – und die SPD bei den Wahlen baden. Warum also sollte sie sich erweichen lassen, als Juniorpartner an Merkels Seite den Euro zu retten? Statt durch vorgezogene Neuwahlen oder 2013 selbst den Kanzler zu stellen?

Weil auch führende Sozialdemokraten um ihre Verantwortung wissen? Denn die Dimensionen der Gefahr sind so gewaltig, dass an den Finanzmärkten bereits die Losung ausgegeben wird, vom stabilen Agieren der deutschen Regierung hänge nicht nur das Schicksal der europäischen Währung, sondern der Weltwirtschaft ab. Die SPD stünde dann vor der Wahl, irgendwann über Nacht die Seiten zu wechseln und die Welt zu retten oder parteipolitische Vorteile über globale Notwendigkeiten zu stellen.

Fraglich ist, ob eine solche Situation, in der es keine Zeit für Neuwahlen gibt, überhaupt eintritt. Und wenn, würde sich die SPD den Eintritt in eine Regierung Merkel oder die Tolerierung einer Unions-Minderheitsregierung teuer abkaufen lassen: mit gewaltigen personellen oder inhaltlichen Zugeständnissen, die von Anfang an die SPD als verantwortungsvollen Retter erscheinen ließen – und mit einem nahen Verfallsdatum, zu dem Merkel den Weg zu vorgezogenen Neuwahlen freimachen und Rot-Grün den Weg ebnen müsste.

Merkel würde für den Euro sicher vieles tun. Aber das ginge wohl auch ihr zu weit.

(RP)
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