Analyse Sparkurs setzt rheinischer Kirche zu

Düsseldorf · Die Evangelische Kirche im Rheinland muss massiv Ausgaben kürzen – mehr und schneller als gedacht. Die Ankündigung des Präses trifft eine ohnehin verunsicherte Landeskirche. Leidet am Ende auch das geistliche Profil?

Analyse: Sparkurs setzt rheinischer Kirche zu
Foto: Daniel Naupold

Die Evangelische Kirche im Rheinland muss massiv Ausgaben kürzen — mehr und schneller als gedacht. Die Ankündigung des Präses trifft eine ohnehin verunsicherte Landeskirche. Leidet am Ende auch das geistliche Profil?

Pausenhof statt Rosengarten, Aula statt Kongresssaal — so lautet die Devise in der rheinischen Landeskirche. Statt wie sonst im Januar im Kurhotel zu Bad Neuenahr treffen sich die 214 Mitglieder der Landessynode am 23. November im evangelischen Schulzentrum Hilden, zur Sondersitzung. Denn die Kirche muss schneller und mehr sparen als gedacht: 20 Millionen Euro oder 35 Prozent bis 2018, wie das Landeskirchenamt gestern mitteilte, statt der bisher veranschlagten acht Millionen (15 Prozent) bis 2023. Das ist ein Schock, und die Sparsynode in karger Umgebung — die erste seit 2006 — passt als Symbol dazu.

Präses Manfred Rekowski, seit März als Nachfolger Nikolaus Schneiders im Amt, hat damit den ersten Pflock eingeschlagen. Der Brief der Kirchenleitung vom 8. Juli, der die Einschnitte ankündigt, formuliert grundsätzlich. "Unser Ziel muss sein, Kräfte zu bündeln, um als Kirche Jesu Christi nahe bei den Menschen zu bleiben", heißt es dort — Kürzungen müssten vorgezogen werden; auch betriebsbedingte Kündigungen seien nicht ausgeschlossen. Fazit: "Je länger wir warten, desto härter werden uns die Folgen treffen."

All das liegt noch in der bisher bekannten Bandbreite Rekowski'scher Reformrhetorik. In seinem Blog wird der Präses deutlicher: "Der Kassensturz hat ergeben, dass die Situation dramatischer ist, als wir bisher dachten. Wir werden uns kleiner setzen müssen." Vor allem diese Sätze im Verein mit den Zahlen waren es, die ein mittleres Erdbeben auslösten. "Wir wussten, dass die bisherigen Sparpläne nicht reichen — aber das war heftig", ist an der Spitze eines Kirchenkreises zu hören.

Die Ankündigungen treffen eine ohnehin verunsicherte Kirche. Gerade erst hat man sich halbwegs von den Verwerfungen des millionenschweren Anlageskandals bei der eigenen Firma BBZ erholt. Die BBZ-Krise hat die Präseswahl im Januar bestimmt und eine Debatte über die Kirchenverfassung in Gang gesetzt. Mit Spannung wurde deshalb erwartet, welche Akzente Rekowski und der neue Kirchenamtschef Johann Weusmann setzen würden — hatten sich doch beide den frustrierten Synodalen als Reformer und Sanierer präsentiert und waren auch als solche gewählt worden. Rekowski punktete nicht zuletzt mit Leistungen bei der Fusion der Wuppertaler Kirchenkreise Barmen und Elberfeld; Weusmann kann auf Erfahrungen bei der Sanierung der finanziell in schwere See geratenen Reformierten Kirche mit Sitz in Leer verweisen. Der Brief vom 8. Juli trägt deshalb Rekowskis und Weusmanns Handschrift — nicht nur ganz wörtlich, weil beide ihn unterschrieben haben, sondern auch inhaltlich.

Dass zwischen dem Brief und der Nennung eines Sparbetrags mehr als zwei Wochen vergingen, hat die Unruhe nicht eben kleiner werden lassen, ebensowenig wie die Formulierung, die offenließ, wer denn nun kürzen müsse (nur die Landeskirche? Oder auch die Kirchenkreise und die Gemeinden?). Die unteren Ebenen seien "nicht unmittelbar" betroffen, hieß es gestern — die Finanzhoheit im Rheinland liegt bei den Gemeinden, die den Haushalt der Landeskirche per Umlage finanzieren. Trotzdem bleiben Fragezeichen. "Natürlich müssen wir überlegen, was das für uns bedeutet, ob wir zum Beispiel die Umlagen erhöhen müssen", heißt es aus dem Kreis der Superintendenten.

Die rheinische Kirche wird auch zu entscheiden haben, ob sie sich noch alle ihre Aufgaben leisten kann — etwa die Trägerschaft von Schulen und Kindergärten. "Unsere Herzen hängen daran, aber die Befürchtung vieler ist, dass wir auch dort ansetzen müssen", sagt ein Mitglied der Superintendenten-Runde, fügt aber auch hinzu, oft sei zu hören, den Schnitt jetzt zu machen, sei "total richtig": "Es stimmt viele positiv, dass die neue Leitung das Problem anpackt." Dazu gehöre auch das Gefühl, mit Rekowski den richtigen Mann ins Präsesamt gewählt zu haben.

Dieser berufsbedingte Optimismus der mittleren Leitungsebene wird freilich nicht überall geteilt. Verbreitet sind Zweifel, ob der rigide Sparkurs inhaltlich verkraftbar ist. Offen sagt das niemand, hinter vorgehaltener Hand sehr wohl. "Die rheinische Kirche ist nicht Wuppertal — aus zwei mach eins geht nicht überall", gibt ein Insider zu bedenken: "Wenn eine Sparsynode das erste Zeichen der neuen Kirchenleitung ist, dann reicht das nicht. Die Menschen sind schon müde vom Sparen. Wir brauchen auch geistliche Impulse." Die Probleme fangen oben an — dass auch im Kirchenamt die Stimmung nicht die beste sei, ist immer wieder zu hören. Die Rede ist von Überlastung und Bürokratisierung, die weniger Raum für Geistliches ließen — eine Art strukturelle Selbstsäkularisierung. "Wir haben in den fetten Jahren verlernt, auch als Institution lebendiges Gottvertrauen zu haben", sagt der Kritiker.

Schwierig dürfte es im Kirchenamt vorerst bleiben. Nicht nur drohen Kündigungen — auch auf der Leitungsebene gibt es Umbrüche. Rekowskis unterlegene Gegenkandidatin etwa, Vizepräses Petra Bosse-Huber, die die Abteilung für Theologie und Diakonie leitet und die rechte Hand des Präses in theologischen Dingen ist, verlässt das Rheinland: Sie wird 2014 Auslandsbischöfin der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Bildungschef Klaus Eberl ist als Vizepräses der EKD-Synode besonders beansprucht, weil Präses Katrin Göring-Eckardt als Grünen-Spitzenkandidatin ihr Amt bis mindestens zur Bundestagswahl ruhen lässt. Und dass in Düsseldorf der Chefposten im wichtigen Politikdezernat überraschend vorerst nicht besetzt werden kann, macht die Lage auch nicht einfacher.

Ende September soll eine "Zukunftswerkstatt" beraten, wie die Kirche 2030 aussehen könnte. Was der Präses in seinem Blog als Ermunterung zur Mitarbeit versteht, ist daher auch Einstimmung auf belastende Monate und magere Jahre: "Wir haben keinen Masterplan, den wir hervorziehen könnten."

(RP)
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