Künast gegen weitere Massenschlachtung Sorge um 40 000 Stellen wegen BSE

Berlin (dpa). Der Widerstand gegen die von der rot-grünen Bundesregierung beschlossene Massenvernichtung von bis zu 400 000 älteren Rindern zur Marktentlastung wird heftiger.

Der Gütersloher Arbeitskreis Tierschutz stellte am Montag wegen der geplanten Tierbeseitigung Strafanzeige gegen Verbraucherschutzministerin Renate Künast (Grüne). Die BSE-Krise bedroht nach Gewerkschaftsschätzungen 40 000 Arbeitsplätze in der Fleisch- und Wurstindustrie. Künast lehnte am Montag ein Kälberschlachtprogramm - die Vernichtung neu geborener Kälber gegen Entschädigungszahlungen - entschieden ab. Die Ministerin unterstütze aber EU-Pläne für eine frühere Schlachtung von Kälbern als Maßnahme, um die Lage auf dem Rindfleischmarkt zu stabilisieren, hieß es im Agrarministerium. Dafür hatte auch die EU-Haushaltskommissarin Michaele Schreyer plädiert.

Ethische Bedenken gibt es dabei nach Ansicht des Ministeriums nicht, da es sich um Kälber handele, die ohnehin für den Verzehr geschlachtet würden. Eine weitere Massenschlachtung von überschüssigen Rindern will Künast nicht hinnehmen. Zur jetzigen Aktion gebe es aber keine Alternative, sagte sie in der ARD.

Die Ministerin dürfe keine Tiere aus marktwirtschaftlichen Gründen töten lassen, hieß es zur Begründung der bei der Berliner Staatsanwaltschaft eingereichten Anzeige. Auch der Deutsche Tierschutzbund prüft juristische Schritte gegen die Massenschlachtung von 400 000 Rindern. Die Tierschützer berufen sich dabei auf das Tierschutzgesetz, das das Töten eines Tieres „ohne vernünftigen Grund“ verbietet.

Der Tierschutzbund in Mecklenburg-Vorpommern will darüber hinaus ab sofort Strafanzeige bei der Vernichtung ganzer Rinderherden bei einem BSE-Fall stellen. Der Landesvorsitzende Dietmar Bonny sagte: „Der Wahnsinn muss ein Ende haben.“ Rund 150 Landwirte blockierten in der Nacht zu Montag im mittelholsteinischen Hohenwestedt zwei Stunden einen Rinderabtransport wegen eines BSE-Falles im Bestand.

Beim nächsten Agrarministerrat der Europäischen Union (EU) in Brüssel in diesem Monat sollten mögliche Frühvermarktungsprämien erörtert werden, sagte eine Sprecherin des Agrarministeriums in Berlin. Dabei könnten Landwirte Zuschüsse bekommen, wenn sie ihre Kälber schon einige Monate früher schlachten, weil die Tiere dann noch weniger Gewicht auf die Waage brächten. Da der Preis der Kälber nach Kilogramm berechnet werde, wollen die meisten Landwirte ihre Tiere jedoch möglichst lange im Stall lassen.

In ihrer Regierungserklärung am Donnerstag will Künast konkrete Vorschläge für Veränderungen in der Landwirtschaftspolitik machen. Als wichtige Punkte nannte Künast in der ARD unter anderem extensivere Landwirtschaft, mehr Platz für die einzelnen Rinder auf den Höfen, leichtere Schlachttiere oder Verbesserungen beim Vertrieb von Rindfleisch.

Der Vorsitzende der Nahrungsgewerkschaft NGG, Franz-Josef Möllenberg, warnte davor, dass 40 000 Arbeitsplätze infolge der BSE- Krise bedroht seien. Es gehe nicht an, dass sich niemand um die Belange der Menschen in den Schlachthöfen und Wurstfabriken kümmere, kritisierte Möllenberg im Hessischen Rundfunk. Als ersten Schritt forderte die Gewerkschaft Ausgleichszahlungen für Kurzarbeiter.

Die Grünen-Spitze ist weiter gegen eine Sonderabgabe auf Fleisch- und Wurstwaren zur Finanzierung der Milliarden-Folgekosten der BSE- Krise. „Nachdem man mit Steuergeldern etwas subventioniert hat, was falsch gelaufen ist, brauchen wir jetzt die Agrarwende“, sagte Künast am Montag vor der Sitzung des Parteirats in Berlin. „Das kommt die Verbraucher längst teuer genug.“

Der umweltpolitische Sprecher der Grünen, Reinhard Loske, sagte, im Zusammenhang mit der nötigen Agrarwende müsse man aber überlegen, eine Stickstoff- oder Pestizidabgabe zu erheben, „die dann ganz gezielt eingesetzt wird für den ökologischen Landbau“. Die Rinderbestände müssten zurückgehen, um den „Nutzungsdruck“ in der Landwirtschaft zu reduzieren, sagte Loske. „Aber nicht, indem man sie tötet, sondern indem man sie gar nicht erst zu Stande kommen lässt.“

(RPO Archiv)
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