Ortsbesuch in Youngstown So ist die Stimmung in Trumps Hinterland

In Washington wird schon spekuliert, wie lange sich der US-Präsident im Amt halten kann. In der Provinz ist die Stimmung ganz anders. Zum Beispiel in Ohio. Da sagen viele: Trump ist der richtige Mann für den Job des Präsidenten.

 "Trump ist der Richtige für den Job", sagt Doughnut-Bäcker Tom Testa.

"Trump ist der Richtige für den Job", sagt Doughnut-Bäcker Tom Testa.

Foto: FH

"Nicht im Traum", antwortet Carlton Ingram, wenn man ihn fragt, ob er Donald Trump gewählt hat. Er habe dem Mann nicht zugetraut, etwas anderes zu managen als seine Immobiliensammlung, und das Weiße Haus sei ja wohl der wichtigste Managerposten, den das Land zu vergeben habe. Trump sei zu aufbrausend; wenn es mal nicht nach seinem Willen gehe, packe ihn schnell der Zorn. Dabei müsste er geduldig an Kompromissen feilen, sagt Ingram, das wisse er aus eigener Erfahrung, schließlich sei er selber Manager, Manager einer Gewerkschaft. "Aber will ich, dass Trump Erfolg hat? Klar, keine Frage. Ich will, dass der Präsident der Vereinigten Staaten Erfolg hat."

Youngstown, im Nordosten des Bundesstats Ohio, ist so etwas wie eine Ikone amerikanischer Industriegeschichte. Was alles mitschwingt im Namen der Stadt, ahnt man schon, wenn man sich Bruce Springsteens Ballade anhört. Darin erzählt der Sänger vom Eisenerz, das man 1803 am Yellow Creek entdeckte, er singt von Hochöfen und davon, dass Amerika Kriege gewann mithilfe der Panzer, die mit dem Stahl aus Youngstown gebaut wurden. Am Rande der Stadt sitzt Carlton Ingram im Lokal Nr. 66 der Gewerkschaft der Betriebsingenieure. Miniaturbagger, Miniaturkräne, Bulldozer im Spielzeugformat.

Trump braucht Zeit, sagen sie

Ingram, ein Schrank von einem Mann, der ein Berufsleben lang schweres Baugerät bediente, sitzt vor einem Sternenbanner mit goldfarbener Kordel und sagt, dass man Geduld haben müsse mit Trump: "Der versucht ja noch immer, in seinem neuen Haus die Toiletten zu finden." Ein paar Monate, glaubt Ingram, werde das wohl noch so gehen. Ingrams Glauben an das eigene Land scheint Trump aber nicht erschüttert zu haben: "Wir sind nicht nur eine der großartigsten Nationen der Welt. Wir sind die großartigste."

 Das Stahlwerk von Youngstown im Jahr 1979.

Das Stahlwerk von Youngstown im Jahr 1979.

Foto: ap, XMB MTS

Der chaotischste Start eines US-Präsidenten seit Langem, in Washington nährt er Prognosen, nach denen der frühere Baulöwe womöglich nur für kurze Zeit regiert, womöglich entmachtet wird durch ein Amtsenthebungsverfahren. Eine Fahrt über Land, quer durch Ohio und Michigan, offenbart eher, dass es zwei Wahrnehmungswelten gibt - hier die Hauptstadt mit ihren Fieberprognosen, dort die Provinz mit der Devise "Nun wartet mal ab".

Bay City, ein Nest am Ufer des Huronsees. Tom Testa hat T-Shirts ins Schaufenster gelegt, auf denen "Mug Shot" steht. Streng genommen sind damit Fotos für die Verbrecherkartei gemeint, hier soll es bedeuten, dass ein ordentlicher Schluck Kaffee aus einem Becher ("Mug") müde Geister munter macht. Zwölf Jahre lang war Testa Polizist, heute führt er die Bäckereikette "Cops & Doughnuts", das Resultat einer spontanen Rettungsaktion. Als der Besitzer einer alteingesessenen Konditorei in der Kleinstadt Clare das Handtuch warf, kauften ihm die neun Polizeibeamten von Clare den Laden kurzerhand ab. In dem Bemühen, wenigstens eines der Geschäfte an der tristen Hauptstraße vor dem Aus zu bewahren, fingen sie an, in eigener Regie Krapfen backen zu lassen.

"Ich glaube, er ist der Richtige"

Daraus ist seit 2009 ein halbes Dutzend Cops & Doughnuts-Filialen geworden, eine davon in Bay City, und dass Testa den Tücken des Lebens mit Humor begegnet, hat sicher zum Erfolg beigetragen. Schmunzelnd erzählt er, wie er mit zwei Mitstreitern zur Bank ging, um einen Kredit zu beantragen. Die beiden trugen Jeans, er feinen Zwirn, den er voller Ironie als seinen 700-Dollar-Anzug beschreibt. Die Banker, lacht er, hätten dann allein mit ihm geredet. Seither heißt Testa nur noch "The Suit" ("Der Anzug"), und hinter der Ladentheke trägt er nur noch Hemden, die mit seinem Spitznamen bestickt sind.

So wie Testa über Barack Obama spricht, kann man sich gut vorstellen, dass er ihm seine Stimme gegeben hat, auch wenn er sagt, das gehe nur ihn etwas an. Durch und durch Pragmatiker, ist er auf keine Partei festgelegt. Was er von Trump hält? "Es scheint, dass er schon ins nächste Fettnäpfchen tritt, bevor er überhaupt den Mund aufgemacht hat", brummt der Ex-Polizist. Trump habe dumme Fehler gemacht, das müsse aufhören, und dann könne es noch etwas werden. "Ich glaube, er ist der Richtige für den Job. Wenn er die Bürokratie in den Griff kriegt, ist uns schon geholfen."

Zurück in Youngstown, lässt David Betras ausrichten, dass er gerade beschäftigt sei, aber gern in aller Kürze am Telefon sagen wolle, was ihm durch den Kopf gehe. So kurz wird es dann doch nicht, und vor allem wird es deutlich. Der Demokrat Betras sagt: "Der Führer der freien Welt scheint nicht in der Lage, die Wahrheit zu sagen, und wer ihn zur Rede stellt, den greift er an." Der Mann sei mental nicht stabil.

Der Rechtsanwalt, der mit Reibeisenstimme so unverblümt spricht wie ein Stahlkocher, ist der Vorsitzende der Demokratischen Partei in Mahoning County, dem Kreis, in dem Youngstown liegt. Momentan versucht er, die spontanen Proteste gegen Trump in organisierte Bahnen zu lenken. Beginnen sollte es in der zweiten Februarwoche, da wollte der Präsident nach Youngstown kommen, um ein Dekret zur Förderung des Kohleabbaus zu unterzeichnen. Betras lud via Facebook zu einem Treffen ein. Im Nu hatten sich 1000 Leute angemeldet, obwohl es nur um Planung ging. Aus der Kundgebung wurde nichts, weil Trump im Trubel um den Rücktritt seines Sicherheitsberaters Michael Flynn lieber in der Hauptstadt blieb. "Aber 1000 Leute! Davon hätte ich nicht zu träumen gewagt", schwärmt Betras. Nur bedeute die zu neuem Leben erwachte Opposition eben nicht, dass Trumps Tage im Oval Office gezählt wären, fügt er nüchtern hinzu. Falls die Wirtschaft in dem Tempo wachse, wie er es versprochen habe, werde er wiedergewählt.

"Unehrliche Medien"

Im Büro der Republikaner in Youngstown sitzt Anna Pera zwischen dem Bild eines Elefanten, des Wappentiers der Partei, und einer Pappfigur ihres Idols Ronald Reagan. Wie sehr sich die Wahrnehmungen in diesen Wochen unterscheiden, lässt sich auch an Pera festmachen. Die Republikanerin, die einst Demokratin war, sieht in Trump so etwas wie die letzte Hoffnung für ihre krisengebeutelte Heimatstadt. "Er ist gewiss kein geschmeidiger Redner, aber Worte interessieren mich nicht. Wir wollen den Wandel, wir wollen Hoffnung."

Ruth Nabb, graue Mütze, blondiertes Haar, Gattin eines lokalen Bauunternehmers, unterbricht Pera, um ein Beispiel dafür zu nennen, wie unehrlich die "Mainstream-Medien" seien. Nur damit beschäftigt, mit Schmutz auf Trump zu werfen, hätten sie nicht berichtet, dass Obama am letzten Amtstag der Palästinenser-Organisation PLO mal eben 250 Millionen Dollar überwiesen habe. Entgegnet man Ruth Nabb, das höre man zum ersten Mal, mustert sie einen stirnrunzelnd und fragt: "Sind Sie sicher, dass Sie nicht bei CNN arbeiten?" Der Nachrichtenkanal gehört zu den Medien, die Trump als "Feinde des amerikanischen Volkes" ausgemacht hat.

(RP)
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