Harare Simbabwe: Leben mit den Folgen der Diktatur

Harare · Brian Tshatsiwo ist einen anderen Weg gegangen als viele Menschen in Simbabwe, die ihre Heimat verlassen, um ihr Glück woanders zu suchen - vor allem im nahen Südafrika. Mindestens ein Viertel der 13 Millionen Simbawer lebt im südlichen Nachbarland. Manche wandern von dort aus nach Europa oder in die USA weiter. Brian jedoch kehrte nach 14 Jahren in Großbritannien zurück in die Heimat. "Ich will der Gesellschaft dienen", sagt der 36jährige Künstler.

Als Brian seine Heimat verließ, galt Simbabwe noch als postkoloniales Musterland. Präsident Mugabe hatte der weißen Minderheit die Hand zur Versöhnung gereicht. Doch dann begann im Jahr 2000 mit dem sogenanten "Indigenous Act" der Niedergang. In dem Gesetz wurde festgelegt, dass 51 Prozent der Anteile aller großen Firmen und Farmen in die Hand von schwarzen Simbabwern überführt werden. Was als anti-koloniale Maßnahme gedacht war, erwies sich als fatal. Ausländische Investoren zogen sich zurück, neue blieben aus; die rechtliche Lage war zu unsicher. Dazu kam die Besetzung der weißen Farmen, die maßgeblich die Versorgung des Landes sicherten. 2007 erreichte die wirtschaftliche Talfahrt ihren Tiefpunkt, die Arbeitslosigkeit lag bei 80 Prozent, der Simbabwe-Dollar wurde von der Inflation zerfressen. 2009 wurde der US-Dollar zur Landeswährung erklärt, was zu einer leichten wirtschaftlichen Konsolidierung geführt hat.

Brian Tshatsiwo wusste sehr genau, worauf er sich einließ, als er in die Heimat zurückkehrte. "Mir ist klar, dass viele Menschen ums Überleben kämpfen, aber auch dann können Kunst und Kultur eine wichtige Rolle spielen. Ich möchte mit meiner Musik den Menschen Mut machen. Wenn sie hoffnungslos werden, ist es aussichtslos. Dem will ich entgegenwirken."

Auch Lucy Marimirofa ist ein Stadtmensch, doch das Schicksal hat sie zu einer Bäuerin gemacht. Als junge Frau ging sie nach Bulawayo, der zweitgrößten Stadt des Landes und arbeitete als Buchhalterin. Dort lernte sie ihren Ehemann kennen, einen Automechaniker. Um den Verdienst zu verbessern, ging ihr Mann nach Botswana. Dort jedoch verstarb er vor 15 Jahren bei einem Autounfall. Als der erste Schock überwunden war, überlegte sich die damals 38-Jährige, welche Zukunft sich ihr böte. Die Kinder waren noch klein, und ein Leben als alleinerziehende Mutter wäre in der Stadt möglich gewesen - zumal sie sich der Unterstützung ihrer Eltern sicher sein konnte.

Doch Lucy Marimirofa entschied sich für einen anderen Weg. So offen sie für die Welt ist, so traditionell ist sie, wenn es um die Erziehung der Kinder geht. "Ich bin der Überzeugung, dass die Kinder zum Vater gehören oder zu seinem Clan. Das ist unsere Tradition, und daran wollte ich festhalten." Da es keinen Vater mehr gab, entschloss sie sich, in dessen Dorf zu ziehen, damit die Kinder dort aufwachsen konnten.

Obwohl sie nie Bäuerin gewesen war, entwickelte sie schnell ein großes Verständnis für die Landwirtschaft. Trotzdem: "Auch mit noch so viel Einsatz gelang es mir und meiner Familie nicht, mehr zu produzieren als wir selbst benötigten", beklagt sie. Als die Welthungerhilfe für ein landwirtschaftliches Projekt im Raum Gokwe einheimische Teilnehmer suchte, überlegte Lucy Marimirofa nicht lange. Sie lernte schnell, wie effektiv es ist, mit natürlichem Dünger zu arbeiten. Die Familie produziert inzwischen genug, um Produkte verkaufen zu können. Lucy Marimirofa strahlt Zufriedenheit aus. Um Politik kümmert sie sich nicht, aber der Staat lässt ihr die Möglichkeit, ihr Leben selbst zu gestalten. Das gilt für viele Menschen im ländlichen Simbabwe, und das ist nicht in jeder Diktatur der Fall.

(RP)
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