Düsseldorf Silberstreif für 66 klamme Kommunen

Düsseldorf · Mit dem "Stärkungspakt Stadtfinanzen" hat die Landesregierung bei den Städten und Gemeinden gepunktet. Allerdings kommt fast die Hälfte der Mittel gar nicht vom Land.

Das wird sich diesmal nicht wiederholen: Kurz vor der Landtagswahl 2010 gingen zahlreiche nordrhein-westfälische Bürgermeister auf die Straße, um gegen das Finanzdesaster in den kommunalen Kassen zu protestieren. Ihr Adressat war die schwarz-gelbe Landesregierung. Inzwischen haben sich die Wogen geglättet. Zwar sitzen viele Kommunen weiterhin auf einem Berg von Altschulden, doch sehen sie zunehmend die Chance, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen, bei dem die Ausgaben nicht höher sind als die Einnahmen. Das bedeutet: keine neuen Schulden mehr.

Ein wesentlicher Grund für diese positive Entwicklung ist der "Stärkungspakt Stadtfinanzen", den die rot-grüne Regierung von Hannelore Kraft (SPD) nach der Regierungsübernahme initiiert hat. "Viele Stärkungspakt-Städte können schon jetzt ihre Haushalte ausgleichen", andere würden es in den nächsten Jahren schaffen, sagt der Geschäftsführer des Städtetages NRW, Helmut Dedy. Selbst der gegenüber Rot-Grün eher kritisch eingestellte Städte- und Gemeindebund, der die kleineren Kommunen vertritt, spart nicht mit Lob. "Der Stärkungspakt war ein wichtiges Signal, denn er hat den teilnehmenden Kommunen erstmals seit vielen Jahren wieder Perspektiven eröffnet", betont Hauptgeschäftsführer Bernd Jürgen Schneider. Auch der Landkreistag NRW sieht "gewisse positive Entwicklungen für die Haushalte". Gleichwohl bleibe abzuwarten, ob sich tatsächlich nachhaltige Wirkungen einstellten oder ob es sich nur um "Kosmetik" handle, gibt Hauptgeschäftsführer Martin Klein zu bedenken.

2011 war die erste Stufe des Stärkungspakts für 34 besonders gebeutelte Kommunen "gezündet" worden, darunter Duisburg, Remscheid und Wuppertal. Die Teilnahme war Pflicht. Bis 2020 stellt ihnen das Land jährlich insgesamt 350 Millionen Euro zur Verfügung - alles in allem 3,5 Milliarden Euro. Als Gegenleistung müssen die Städte rigoros sparen. Die meisten von ihnen haben bereits die Grund- oder Gewerbesteuer erhöht - oder beides. Andere verkauften ihr "Tafelsilber", reduzierten Kultur- und Freizeitangebote oder haben Einschnitte beim Personal beschlossen. Die Stadt Remscheid etwa, die 2016 den ersten ausgeglichenen Etat seit 1993 vorlegen konnte, will bis 2020 rund 270 Stellen in der Verwaltung abbauen. Die Vorgabe des Landes für den Stärkungspakt I lautet: Bis 2021 muss der Haushaltsausgleich aus eigener Kraft, also ohne Hilfen des Stärkungspakts, erreicht sein.

2012 konnten sich weitere 27 klamme Kommunen freiwillig dem Stärkungspakt II anschließen. Davon machten auch Leverkusen, Korschenbroich, Mönchengladbach Moers, Solingen und Velbert Gebrauch. Für sie gibt es insgesamt 2,2 Milliarden Euro. Der Moerser Bürgermeister Christoph Fleischhauer (CDU) spricht anerkennend von einer "Hilfe zur Selbsthilfe".

Für fünf weitere Kommunen, darunter Krafts Heimatstadt Mülheim an der Ruhr und Heiligenhaus (Kreis Mettmann), gilt der Stärkungspakt III, der rund eine Milliarde Euro umfasst. Nach Angaben des nordrhein-westfälischen Innenministeriums gibt es "derzeit keine Anhaltspunkte dafür", dass eine Kommune das gesetzliche Ziel des Haushaltsausgleichs nicht erreicht.

Doch das Land kann die Erfolge nicht nur für sich verbuchen. Laut Städte- und Gemeindebund werden immerhin 40 Prozent der Stärkungspaktmittel von anderen Kommunen aufgebracht, und zwar durch Vorwegabzug bei den Zuweisungen des Landes und den "Solidaritätsbeitrag", den bessergestellte Städte und Gemeinden zahlen müssen. Diesen "Kommunal-Soli" empfinden viele von ihnen nach wie vor als ungerecht, weil das Land seine Verpflichtungen auf die "kommunale Familie" abwälze. Dagegen klagten mehr als 70 Kommunen vor dem Verfassungsgerichtshof in Münster, erlitten im vorigen Jahr jedoch eine herbe Niederlage.

Die Empfängerkommunen ficht das nicht an. "Wir brauchen das Geld", heißt es vielfach unter Hinweis auf die hohen Soziallasten. Moers kann bis 2020 mit 67 Millionen Euro rechnen, Mönchengladbach sogar mit 269 Millionen. Der Stärkungspakt öffne den "Weg aus der Vergeblichkeitsfalle", sagt Oberbürgermeister Hans Wilhelm Reiners (CDU). In Velbert heißt es jedoch einschränkend, der Stärkungspakt sei "hilfreich, ersetzt jedoch nicht die Notwendigkeit einer Gemeindefinanzreform".

(hüw)
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