Analyse Gabriel gegen Google und Co.

Berlin · Monopolisten des digitalen Marktes sind Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) ein Dorn im Auge. Er droht mit Zerschlagung. Experten kommen in einem Gutachten zu anderen Schlüssen - und sehen Vorteile für Verbraucher.

Google ist ein bequemes Monopol für uns. Binnen Millisekunden fischt der Datengigant jede denkbare Information aus dem Internet, zeigt uns auf Knopfdruck Milliarden Videos und Bilder, führt uns mit seinem Kartendienst durch Großstadt und Walachei und treibt uns mit atemberaubendem Tempo von einer technologischen Revolution zur nächsten. Jetzt fahren die ersten Google-Autos ohne menschliches Zutun, bald fliegen Google-Ballons in der Stratosphäre für eine lückenlose Internetabdeckung am Erdboden.

Doch im Zeitalter der Internetgiganten liegen Bequemlichkeit und diffuse Angst dicht beieinander. Zu mächtig könnten Google, Facebook, Amazon und Co. werden, so fürchten manche, um deren Geschäftspraktiken noch im Sinne der Verbraucher kontrollieren zu können. Zu umfassend könnten wiederum ihre Geschäftsmodelle werden, um sie aus dem Alltag der Menschen noch wegdenken zu können. Und zu marktbeherrschend könnte ihr Auftreten sein, um Konkurrenz ansatzweise noch eine Chance zu geben.

Auf Wunsch von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hat daher die unabhängige Monopolkommission in Deutschland Empfehlungen vorgelegt, wie der Gesetzgeber Internetriesen am Zeug flicken könnte. Es geht um Kartellrecht, fairen Wettbewerb und um Datensicherheit für Verbraucher. Das Ergebnis des gestern vorgestellten Gutachtens: Die Kommission rät dringend dazu, das bestehende europäische Wettbewerbsrecht zu reformieren und etwa die Fusionskontrolle zu erweitern.

So solle auch die Übernahme umsatzschwächerer Unternehmen von den Kartellbehörden überprüft werden - weil gerade im digitalen Markt solche Firmen oft über große Zukunftspotenziale verfügten. Beispiel: Die Übernahme des Messenger-Dienstes Whatsapp durch das weltweit größte soziale Netzwerk Facebook fiel durch das Raster der EU-Fusionskontrolle, weil der Umsatz von Whatsapp zu gering war. Doch die 22 Milliarden Dollar, die Facebook den Whatsapp-Gründern auf den Tisch legte, trugen dem eigentlichen Wert von Whatsapp Rechnung, nämlich seinem Datenschatz. Die EU ist auf diesem Auge bisher blind. Und so gehört jetzt dem Facebook-Konzern mit 1,4 Milliarden aktiven Nutzern das einstige Start-up Whatsapp, wo sich bereits 800 Millionen Menschen tummeln - samt Zugriff auf ausgetauschte Daten.

Europäische und amerikanische Datenschützer sehen in einer solchen Konzentration persönlicher Informationen erhebliche Risiken. Daher brauche es die für Sommer geplante EU-Datenschutzgrundverordnung, meint auch Minister Gabriel. Sie soll europäische Standards schaffen, um auch in Übersee ansässigen Unternehmen rechtlich beikommen zu können. Risiken der Datenkonzentration bestehen aber zudem für den Konkurrenzkampf. "Wettbewerb in digitalen Märkten wird an vielen Stellen verhindert, wenn soziale Netzwerke, Handelsplattformen und Suchmaschinen ihre Stellung im Markt und ihren Vorsprung bei der Datensammlung ausnutzen, um kleinere Konkurrenten auszugrenzen", sagt Helga Springeneer vom Bundesverband der Verbraucherzentralen. Das schade dem Verbraucher.

Gabriel und die Monopolkommission sind unterdessen unterschiedlicher Ansicht über den besten Umgang mit Internetriesen. Beim Beispiel Google hatte sich Gabriel etwa für eine Entflechtung der einzelnen Teile des Konzerns ausgesprochen. 90 Prozent der Suchanfragen in Deutschland entfallen auf Google. "Marktmacht soll nicht nur bezogen auf einzelne Dienste bewertet werden, sondern bezogen auf die gesamte Wertschöpfungskette im Internet", sagte der Minister. Die Experten der Monopolkommission wollen hingegen geltendes Wettbewerbsrecht ausschöpfen und schärfen, um Google beizukommen. Der Vorsitzende der Monopolkommission, Daniel Zimmer, sagte, er bezweifle, "dass es geschickt wäre, die großen Plattformen durch Aufspaltung zu verkleinern". Und auch EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager erteilte solchen Plänen in einem Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" jüngst eine Absage.

Der Chef der Monopolkommission eckt auch an anderer Stelle an: Verbraucher würden von der Marktmacht der Internetriesen profitieren, so Daniel Zimmer. Selbst große Internetunternehmen lieferten sich einen Konkurrenzkampf. Für Verbraucher sei das nicht von Nachteil, da sie die Angebote schätzten und größtenteils kostenlos erhielten. Tatsächlich haben die Nutzer aber nur selten attraktive Optionen, Giganten zu entgehen und auf Konkurrenten auszuweichen. Und selbst wenn: Mit gefüllten Kriegskassen (allein Google verfügte 2014 über 30 Milliarden Dollar für Übernahmen) kaufen die Riesen ihre Konkurrenten schnell auf. "Die Verbraucher sind oft bei Anbietern gefangen und werden buchstäblich verkauft", meint der Ökonomieprofessor und ehemalige Chef der Monopolkommission, Justus Haucap. "Wer einst Facebook den Rücken kehrte, um sich bei Whatsapp mit Freunden auszutauschen, erlebte später mit der Facebook-Fusion eine Art blaues Wunder."

Nutzer müssen also agil bleiben und ihr Online-Verhalten stets überprüfen, um sich möglichst wenig abhängig zu machen. Von der Wirtschaft erhalten Verbraucher auf ihrer Suche nach Alternativen aber nur bedingt Unterstützung. Denn viele Unternehmen haben ihre Strategien bereits vollständig an die Monopolstellung von Google und Co. angepasst - und wollen diese zur eigenen Gewinnmaximierung stützen. Beim Bundesverband der Start-ups heißt es dazu, viele junge Unternehmen würden gezielt versuchen, Geschäftslücken der Großen zu besetzen und eigene Angebote zu perfektionieren, um später geschluckt zu werden. Datenschutz aber braucht Pluralität, und die gibt es vor allem durch Wettbewerb.

(jd)
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