Gesellschaftskunde Sich erinnern macht gelassener

Vieles, was an anderen ärgert, kennt man von sich selbst – wenn man mal zurückdenkt.

Vieles, was an anderen ärgert, kennt man von sich selbst — wenn man mal zurückdenkt.

Spätestens, wenn die Kinder in die Pubertät geraten, beginnt in vielen Familien das Hadern. Nicht nur, weil Jugendliche dann Grenzen austesten, mit seltsamen Freunden abhängen, Herausforderungen in der Schule mit Chillen begegnen oder durch Saufen, Blaumachen und derlei Unerfreulichkeiten die Eltern herausfordern. Mit der Pubertät werden Jugendliche zu einem wirklichen Gegenüber, sie stellen deren Lebensentwürfe, Werte, Ziele in Frage. Und deren gelebtes Leben sowieso.

Sich damit auseinanderzusetzen, ist bereichernd. Sagt man. Allerdings eher in der Theorie. Praktisch ist das Leben mit einem auf Rebellion gepolten Familienmitglied mindestens anstrengend, für manche zermürbend, und so setzen bei vielen Eltern Vermeidungsstrategien ein. Dann wird das Dachzimmer ausgebaut, der Jugendliche bekommt "sein Reich", die Probleme gehen weiter.

In solchen Extremzeiten, wenn in einem begrenzten zwischenmenschlichen Feld wie der Familie Verhaltensweisen unversöhnlich aufeinanderprallen, kann Erinnern helfen. Viele Menschen erzählen ja wilde Geschichten aus der eigenen Vergangenheit. Doch sobald sie in verantwortliche Positionen geraten, als Eltern, Lehrer, Vorgesetzte glauben, die Geschicke von anderen lenken zu müssen, erinnern sie sich nicht mehr daran. Sie sehen dann nur noch, was schiefläuft, was ihrer Kontrolle entgleitet, und das macht Angst.

Sich an Schwächen zu erinnern, schenkt dagegen sofort Gelassenheit. Man hat das eigene Leben schließlich auch in den Griff bekommen, hat aus Fehlern gelernt oder auch nicht, hat sich dem eigenen Weg anvertraut. Im Moment des Erinnerns kann man an dieses Zutrauen anschließen, kann sich bewusst machen, dass man nicht alles regeln und lenken kann. Und das auch nicht muss. Die Pubertät ist eine lehrreiche Zeit - für alle Beteiligten.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin: kolumne@rheinische-post.de

(RP)
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