Berliner Republik "Short Macht Service" (SMS) der Kanzlerin

Handy-Textnachrichten sind ein wichtiges Machtinstrument für Kanzlerin Merkel. Ihre SMS sind in der Berliner Republik begehrt. Nun wollen Juristen die Kurznachrichten aus dem Kanzleramt für die Nachwelt archivieren. Wer braucht das?

Angela Merkel hat eine Gabe, die sonst eher 17-jährige Teenager haben: Sie kann angeblich mit einer Hand SMS in ihr Handy tippen, selbst wenn das Gerät in der Hosentasche verstaut ist. Die Textnachrichten, "Short Messaging Service" genannt, kurz SMS, sind ein zentrales Instrument Merkel'scher Regierungskunst.

Die Kanzlerin verschicke täglich bis zu zehn solcher Botschaften, stets mit dem Kürzel "am" versehen, hat ein Berater neulich geschätzt. Damit läge Merkel acht SMS über dem Durchschnitt der Deutschen. Als "zeitsparende Form der Kommunikation" hat die Regierungschefin die SMS einst gelobt. Merkel mag es nicht, wenn Gesprächspartner nicht auf den Punkt kommen. Dafür ist der SMS-Austausch ideal.

Was Merkel tippt, kann Karrieren befördern oder beenden. Parteifreunde zeigen stolz die Nachrichten der "Chefin", wenn sie bei Parteifreunden angeben wollen. Andere wünschten sich, dass Merkel nie ihre Nummer gespeichert hätte. Umweltminister Norbert Röttgen soll zu seinem Rausschmiss per SMS ins Kanzleramt einbestellt worden sein.

Merkels "Short Macht Service" erlangte Berühmtheit, als ein Foto öffentlich wurde, das sie neben Bildungsministerin Annette Schavan zeigt. Beide lächeln süffisant und lesen eine SMS, die angeblich den Rücktritt von Minister Karl-Theodor zu Guttenberg zum Gegenstand hat. Genau weiß man das aber nicht. Merkels SMS sind schließlich Privatsache. Geheim. Oder doch nicht?

Staatswissenschaftler fordern nun, dass die Nachrichten archiviert werden müssten, weil sie von historischem Interesse sein könnten. Von "demokratischer Rechenschaftspflicht" spricht einer. Im Prinzip stimmt das sogar: Formelle Anweisungen der Kanzlerin gehören in das Aktenlager der Regierung für die Nachwelt. Bei Dokumenten ist dies der Fall. Warum also nicht bei SMS? Wenn Merkel via Handy Anweisungen gibt, müsste sie nach ihrer Amtszeit eigentlich den Speicherchip im Bundesarchiv abgeben.

Für private Nachrichten gilt das aber nicht. Nur: Was ist privat? Ein böser Scherz über den Parteifreund? Ein zynischer Kommentar über den unfähigen Staatsmann? Merkels Humor soll tiefschwarz sein. Nicht dass veröffentlichte SMS Jahre nach Merkels Karriereende noch zu diplomatischen Verwicklungen führen. Merkels Sprecher hat nun erklärt, dass die Kanzlerin alle SMS, aus denen "Verwaltungshandeln" entstehe, archivieren werde. Nun kursiert das Gerücht, Merkel durchforste ihren Speicher nach verfänglichen Texten, um diese zu löschen.

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(brö)
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