Crash-Kurs für Börsenneulinge Seminarplätze für 65 Mark sind begehrt

Hamburg (AP). "Wir bilden hier niemanden zum Spekulanten aus, bei uns werden Sie nicht zum Day-Trader", stellt Kay Homann, stellvertretender Geschäftsführer der Börse Hamburg, gleich zu Beginn des Seminars klar. Auch wenn einige der 15 Teilnehmer seines abendlichen Crash-Kurses "Einführung in das Wertpapiergeschäft" gerade das erwartet haben, sie lassen es sich nicht anmerken.

Schließlich sind alle froh, überhaupt einen Platz für das Abendseminar ergattert zu haben. Denn die 65 Mark teuren Kurse für Privatanleger, die seit einem Jahr angeboten werden, sind heiß begehrt und meist Wochen im Voraus ausgebucht.

In knapp vier Stunden erfahren die Teilnehmer zwischen 20 und 60 Jahren fast alles, was ein Börsenneuling wissen muss. Jeder erhält zunächst eine 60-seitige Broschüre, in der die Themen des Abends zusammengefasst sind. Dann erklären Homann und ein Kollege anhand einfacher Charts fest verzinsliche Wertpapiere und verschiedene Aktientypen. Sie erläutern die Arbeit von Rating-Agenturen, weisen auf die Unterschiede zwischen Gewinn und Rendite hin und erklären, welche Methoden es zur Bewertung von Anlageobjekten gibt.

Auf konkrete Aktientipps warten die Börsenneulinge allerdings vergeblich. "Wir sind hier streng neutral und dürfen keine Empfehlungen geben", sagt Homann, der sich über mehr als 800 Teilnehmer in den vergangenen zwölf Monaten freut. Neutralität heißt das Gebot übrigens auch bei den anderen sechs Kursen, in denen es beispielsweise um Optionsscheine, die Anlagestrategie oder das Portfoliomanagement geht. Das nötige Fachwissen für den Laien wird sowohl von Experten der Börse als auch von Bankfachleuten und Unternehmensberatern vermittelt.

Die intensive Beschäftigung des Privatanlegers mit Märkten und Aktienentwicklungen bringt laut Homann Vorteile mit sich. "Sie sind nicht mehr von ihrem Bankberater abhängig und müssen nicht alles den Fonds überlassen." Denn bei den Beratern gebe es so manchen Ahnungslosen, der nur die eigenen Produkte verkaufen wolle. Daher sollte der Kunde ihn ruhig einmal testen, indem er sich eingehend über einen Wert informiert und ihn anschließend dazu befragt.

Nach einem Jahr Gespür

Etwa ein Jahr dauert es nach den Erfahrungen des Börsen-Experten, bis ein Aktienneuling ein Gespür für Marktentwicklungen, interessante Aktien und den passenden Kauf- und Verkaufszeitpunkt entwickelt hat. Wer nicht sofort sein Geld einsetzen will, dem empfiehlt Homann die Teilnahme an einem der zahlreichen Börsenspiele. Das sei eine hervorragende Gelegenheit, das frisch erworbene Wissen zu testen. Auch das Internet biete gute Informationsmöglichkeiten. Allerdings sollte sich der Anleger von den zahlreichen Expertentipps und den Empfehlungen der unzähligen Fachblätter nicht verwirren lassen, denn da seien oft Eigeninteressen im Spiel.

Nach fast vier Stunden verlassen die Teilnehmer den Seminarraum der Hamburger Börse, manche nachdenklich, andere etwas ratlos. Ein offensichtlich zufriedener junger Mann weiß dagegen ganz genau, wie es nun weitergehen muss: "Ich brauche einen Internetanschluss, dann teste ich meinen Finanzberater".

(RPO Archiv)
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