Zweidrittelmehrheit in Volksabstimmung Schweizer nehmen EU-Verträge an

Bern/Brüssel (dpa). Die Schweizer haben die bilateralen Abkommen zwischen der Schweiz und der EU in einer Volksabstimmung am Sonntag mit einer überwältigenden Mehrheit von 67,2 Prozent gebilligt. Damit rückt die Schweiz etwas näher an die Europäische Union heran. Der Präsident der EU-Kommission, Romano Prodi, äußerte sich zufrieden über das Ergebnis. "Es ist ein Meilenstein auf dem unserem gemeinsamen Weg zu Wohlstand und Stabilität in Europa und wird sowohl den Schweizern als auch der Europäischen Union zum Nutzen sein", sagte Prodi am Sonntag in Brüssel.

"Durch die sieben Abkommen werden die bereits ausgezeichneten gutnachbarlichen Beziehungen mit vielen positiven Auswirkungen auf das tägliche Leben unserer Bürger weiter verbessert", sagte der Kommissionspräsident. Der Vertrag werde eine erhebliche Stärkung der bilateralen Beziehungen mit sich bringen, aber in keiner Weise Schritten in Richtung auf eine weitere Integration vorausgreifen.

Die sieben Abkommen erleichtern den Schweizern unter anderem den Zugang zum EU-Arbeitsmarkt, den Handel mit landwirtschaftlichen Produkten und Kooperationen im Luftverkehr. Außerdem werden die Bestimmungen für den Alpentransit von Lastwagen aus EU-Staaten gelockert.

Nur in den Kantonen Tessin und Schwyz hielt sich die EU- Begeisterung in Grenzen. Die Tessiner lehnten die bilateralen Abkommen mit 57 Prozent Nein-Stimmen ab. Im deutschsprachigen Kanton Schwyz fiel das Ergebnis mit 50,2 Prozent Nein deutlich knapper aus. Besonders viel Zuspruch erhielten die Verträge in der traditionell EU-freundlicheren französischsprachigen Westschweiz, aber auch in Zürich und Basel.

Die Sozialdemokratische Partei der Schweiz (SP) zeigte sich mit der Zweidrittelmehrheit sehr zufrieden. Sie will sich nun verstärkt für ein EU-Beitrittsgesuch einsetzen. Ganz anders wurde das Ergebnis von der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP) um Volkstribun Christoph Blocher interpretiert. Auch sie wertete das Ergebnis positiv, betonte aber, die Bürger hätten mit dem Ja zu den bilateralen Verträgen "gleichzeitig Nein zu weiteren Schritten in Richtung EU-Beitritt" gesagt.

Für die Schweiz, deren Parlament die Verträge bereits gebilligt hat, bedeutet der positive Volksentscheid vom Sonntag die endgültige Ratifikation. Nun müssen nur noch die einzelnen EU-Mitgliedstaaten dem Vertragswerk ihre Zustimmung geben. Dies betrifft allerdings nur das Abkommen über den Personenverkehr, denn nur dieses berührt nationale Kompetenzen. Sollte dies zügig passieren, können die Verträge frühestens Anfang 2001 in Kraft treten. Schweizer könnten dann ab 2003 in der EU wohnen und arbeiten. Für EU-Bürger soll die gleiche Freizügigkeit in der Schweiz stufenweise bis 2013 eingeführt werden.

Bekämpft hatten die Verträge vor allem Politiker und Gruppierungen am rechten politischen Rand, die mit einer Unterschriftensammlung die Volksabstimmung erzwungen hatten. Sie befürchten einen Ansturm von EU-Arbeitskräften und eine Flut von 40-Tonnen-Lastwagen auf den Alpen-Transitstrecken. Die Regierung und die maßgeblichen Schweizer Wirtschaftsverbände hatten sich geschlossen hinter die bilateralen Abkommen gestellt.

Die Stimmbeteiligung lag am Sonntag mit rund 48 Prozent deutlich niedriger als bei der letzten wichtigen Europa-Abstimmung von 1992. Damals waren 79 Prozent der Eidgenossen an die Wahlurnen gegangen, um über den Beitritt der Schweiz zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) abzustimmen. Der EWR-Beitritt wurde damals mit 50,3 Prozent abgelehnt.

(RPO Archiv)
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