1000 Franken Schweiz verlangt Kaution von Flüchtlingen

Genf · Migranten müssen Bargeld von mehr als 1000 Franken abgeben. 2015 entrichteten 112 Personen die "Vermögenswertabnahme".

Ursachen der großen Flucht
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Foto: ALESSANDRO BIANCHI

Wer es als Flüchtling in die Schweiz schafft, der wird von den Behörden erst einmal zur Kasse gebeten. Nach der Einreise müssen die Flüchtlinge Vermögenswerte über 1000 Franken (etwa 914 Euro) an die Behörden abgeben. Die Eidgenossen schöpften die Werte bei den Asylbewerbern nach einem festen bürokratischen Muster ab, berichtet das öffentlich-rechtliche Schweizer Fernsehmagazin "10 vor 10". Mit der Praxis festigt die Schweiz ihren Ruf als eines derjenigen reichen europäischen Länder, die mit ankommenden Flüchtlingen nicht gerade zimperlich umgehen.

Der Bericht löste in dem Alpenland und auch in anderen europäischen Staaten ein enormes Echo aus. Stefan Frey von der Schweizerischen Flüchtlingshilfe prangerte das staatliche "Raubrittertum" an. Das Verfahren sei unwürdig. Die Online-Ausgabe des "Tages-Anzeiger" aus Zürich zitierte einen Internetnutzer, der raunte: "Die Schweiz hat aus dem Nazi-Gold-Debakel nichts gelernt." Die Affäre um das Nazi-Gold in den 90er Jahren hatte das saubere Image des neutralen Kleinstaates besudelt.

Grundsätzlich bestätigte das Staatssekretariat für Migration gegenüber unserer Redaktion die 1000-Franken-Praxis. Allerdings habe "10 vor 10" den Sachverhalt verkürzt, hieß es aus der Behörde. Man habe im vergangenen Jahr nur bei 112 Flüchtlingen die Vermögenswertabnahme erhoben. Somit sei nur ein Bruchteil der knapp 40.000 Asylbewerber, die 2015 in die Schweiz kamen, betroffen gewesen. Zudem müssten die Flüchtlinge "in der Regel Bargeld abgeben". Persönliche Schmuckstücke wie Eheringe dürfen sie behalten. Die Begründung für die Abgabe: Asylbewerber verursachten Kosten, für die sie aufkommen sollten. Falls eine Person länger als sieben Monate in der Schweiz bleibt, behält der Staat das Geld.

Das Magazin berichtet konkret von einem syrischen Flüchtling, der bei seiner Einreise 2387,55 Franken besaß. Der Familienvater geriet nach eigenen Angaben in Zürich in eine Polizeikontrolle. Die Beamten hätten ihn festgenommen und ihm dann 1380 Franken abgenommen. Einen Restbetrag von 1007,55 Franken habe er behalten dürfen. Die Beamten hätten ihm eine akkurate Quittung ausgestellt. Zudem hätten sie ihm zugesagt, dass er den Betrag zurückerhalte. Das sei jedoch bis jetzt nicht geschehen, erklärte der Mann aus dem Bürgerkriegsland. Er wollte anonym bleiben, weil sein Asylverfahren noch laufe. Bei einer Umfrage in einem Durchgangsheim schilderten auch andere Asylbewerber ihre Erfahrungen. Allerdings hatten die meisten Glück: Ihre Vermögenswerte erreichten keine 1000 Franken - so blieben sie von der eidgenössischen Vermögenswertabnahme verschont.

Flüchtlinge demonstrieren in Xanten
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Foto: Fischer, Armin

Die Abnahme ist nicht die einzige Geldquelle, aus der Geld für die Flüchtlingsverfahren in der Schweiz sprudelt. Flüchtlinge, die einen Job finden, müssen eine "Sonderabgabe" zahlen. "Der Abzug ist bei Bestehen eines Arbeitsverhältnisses während der Dauer des Asylverfahrens, der vorläufigen Aufnahme oder der Schutzbedürftigkeit ohne Aufenthaltsbewilligung vorzunehmen", heißt es in einem Merkblatt beim Staatssekretariat für Migration. Die Abgabe kann sich auf bis zu 15.000 Franken belaufen. Doch wollen die Schweizer die "Sonderabgabe" bald wieder abschaffen. Denn sie könnte die Flüchtlinge vom eigenen Broterwerb abschrecken. Dann müsste der Staat wieder für ihren Unterhalt geradestehen - eine unerfreuliche Vorstellung für die meisten Eidgenossen.

(RP)
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