Union und FDP wollen Ergebnisse Schwarz-Gelb greift noch mal an

Berlin · Union und FDP wollen nach Monaten des Streits in zentralen innenpolitischen Streitfragen zu Ergebnissen kommen. Am 4. November trifft sich eine Spitzenrunde im Kanzleramt. Es läuft auf ein Paket an Maßnahmen hinaus: Die einen bekommen ein ergänztes Betreuungsgeld, die anderen die Abschaffung der Praxisgebühr, und auch am Strompreis wird gedreht.

Als Union und FDP noch eine "Wunschkoalition" waren, wollten sich die Spitzenkoalitionäre in jeder Sitzungswoche treffen, um politische Projekte zu beraten. Dazu kam es nicht. Ständige Streitereien, Abstimmungspannen und Eifersüchteleien verhinderten eine harmonische Regierungsarbeit. Zuletzt trafen sich die wichtigsten Politiker von Union und FDP Mitte März im Kanzleramt. Herauskam damals, kurz nach dem heftigen Koalitionsstreit über die Nominierung von Joachim Gauck zum Bundespräsidentschaftskandidaten, aber nichts. Von "Wunschkoalition" spricht ohnehin niemand mehr.

Nun will sich die Koalition erneut zu ihrem wohl letzten Kraftakt vor der Bundestagswahl zusammenraufen, um zentrale Vorhaben umzusetzen. Gestern bestätigten Koalitionäre einen Bericht unserer Zeitung, wonach am Sonntag, 4. November, die Spitzen der Koalition von CDU, CSU und FDP im Kanzleramt zusammenkommen wollen. Ob auch die Generalsekretäre dabei sein werden, war gestern noch unklar. In strittigen Punkten sollen jedenfalls Kompromisse gefunden werden.

Dazu gehören dem Vernehmen nach die von der FDP geforderte Diskussion über eine Abschaffung der Praxisgebühr, die von den CDU-Frauen vorgeschlagene bessere Anrechenbarkeit von Erziehungsleistungen für Mütter in der Rente sowie Sofortmaßnahmen gegen den Anstieg der Strompreise. Im Vorfeld des Treffens wollen angeblich Kanzlerin Angela Merkel, CSU-Chef Horst Seehofer und der FDP-Vorsitzende Philipp Rösler die wichtigsten Punkte im Sechs-Augen-Gespräch klären.

Das von der CSU gewünschte Betreuungsgeld für Eltern, die ihre Kinder nicht in staatlichen Einrichtungen betreuen lassen, soll endgültig unter Dach und Fach gebracht werden. Den Kritikern in der FDP soll das Gesetz schmackhaft gemacht werden, indem zusätzliche Investitionen in die Bildung beschlossen werden. Das FDP-Konzept des "Bildungssparens", ein staatlicher Zuschuss für Investitionen der Eltern in ein Bildungskonto ihrer Kinder, soll zu neuem Leben erweckt werden. "Das steht sogar im Koalitionsvertrag", erinnert sich FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle. Die Frauen in der CDU, die das Betreuungsgeld ebenfalls kritisch sehen, dürften mit einer Besserstellung der Kinderbetreuungszeiten in der Rente besänftigt werden. Intern hat Unionsfraktionschef Volker Kauder den CDU-Politikerinnen bereits signalisiert, dass eine gesetzliche Besserstellung kommen werde.

Die FDP kann zudem darauf hoffen, dass die Praxisgebühr doch noch abgeschafft wird. CSU-Politiker Markus Söder hatte unlängst die Front der Gegner aufgeweicht und bekundet, dass dies "denkbar" sei. Zwar pfiff ihn CSU-Chef Horst Seehofer gestern zurück, doch auch Kanzlerin Merkel und weitere Unionspolitiker signalisierten, dass sie angesichts der Milliardenüberschüsse in der Krankenversicherung nicht unbedingt an der Abgabe festhalten wollen. Die Neigung, im Bundestagswahljahr die ungeliebte Abgabe endgültig zu kippen, ist auch in der Union groß.

Beim Thema Strompreise und Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) will die Koalition handeln. "Ich freue mich sehr, dass die Bundeskanzlerin ebenfalls der Meinung ist, jetzt schnell zu einer EEG-Reform zu kommen", sagte Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP). Er fordert, schon ab 1. Januar die Stromsteuer zu senken. Der Anstieg der Umlage für Öko-Strom hat auch im Kanzleramt zum Nachdenken geführt. Merkels Berater fürchten, dass im Bundestagswahljahr eine breite Debatte über Rekordstrompreise geführt wird. Auch deshalb soll Umweltminister Peter Altmaier (CDU) angeblich seine abwartende Haltung aufgeben und Modelle prüfen, wie kurzfristig der Anstieg gebremst werden kann. Die FDP will im Gegenzug auch energieintensive Unternehmen, die bisher von der EEG-Umlage ausgenommen sind und deshalb die Förderung des Öko-Stroms für Privatleute in die Höhe treiben, stärker belasten. Auch hier hat Merkel Entgegenkommen signalisiert.

Offen bleibt indes der Streit über die von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) vorgelegte Zuschussrente für Niedrigverdiener, die in Teilen der CDU, aber vor allem in der FDP auf Kritik stößt. Die Kanzlerin hat sich intern festgelegt, dass langjährige Beitragszahler notfalls mit staatlicher Hilfe im Alter finanzielle Hilfe erhalten sollen. Doch hat sich erst gestern die Arbeitsgruppe der Unionsfraktion zu dem Thema konstituiert. Eine rasche Lösung gilt als unwahrscheinlich. Es wird eine Lösung "noch im Herbst" angepeilt.

Brüderle weist darauf hin, dass die Koalition die Bürger um rund neun Milliarden Euro entlasten könnte. Allein durch eine Absenkung der Rentenbeiträge kämen schon fünf Milliarden Euro zusammen. Damit könne die Koalition einen "Impuls" für die Belebung der Binnennachfrage setzen. Brüderle formuliert das metaphernreich so: "Wir werden das alles vor Weihnachten in die Tüte bringen für den Knecht Ruprecht — vielleicht bringt er auch was Süßes mit."

(brö, qua, may)
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