Studie der Bertelsmann Stiftung Jedes Jahr 50.000 Jugendliche ohne Schulabschluss in Deutschland

Berlin · Die Zahl der Jugendlichen ohne Schulabschluss ist in Deutschland sehr hoch. Besonders betroffen sind Jungen und junge Menschen mit ausländischer Staatsbürgerschaft. Hoch ist die Quote auch in einer nordrhein-westfälischen Stadt. Das fordert die Bertelsmann Stiftung.

Rund 50.000 junge Menschen beenden pro Jahr die Schule in Deutschland, ohne einen Hauptschulabschluss zu erreichen.

Rund 50.000 junge Menschen beenden pro Jahr die Schule in Deutschland, ohne einen Hauptschulabschluss zu erreichen.

Foto: phalanx / Thomas Imo/Thomas Imo / phalanx Fotoagentur

Knapp sechs Prozent aller Jugendlichen in Deutschland verlassen die Schule in jedem Jahr ohne Abschluss. 2021 waren es 47.500 Heranwachsende. Eine Studie der Bertelsmann Stiftung offenbart, dass dieser Anteil seit zehn Jahren stagniert. „Jeder junge Mensch ohne Schulabschluss ist einer zu viel. Denn das bedeutet deutlich schlechtere Zukunftsaussichten für die Betroffenen. Unsere Gesellschaft kann es sich angesichts des wachsenden Fachkräftemangels nicht leisten, diese Personen durchs Raster fallen zu lassen“, sagt Studienautor und Bildungsforscher Klaus Klemm.

Knapp 60 Prozent derer, die ohne Abschluss die Schulkarriere beenden, sind junge Männer. Zudem sind junge Menschen mit ausländischer Staatsbürgerschaft fast drei Mal so oft vertreten wie Gleichaltrige mit deutscher Staatsangehörigkeit (13,4 zu 4,6 Prozent). Jeder zweite Jugendliche ohne Hauptschulabschluss war in einer Förderschule. Der Blick auf die Länderebene zeigt, dass sich der Anteil der Absolventen ohne Abschluss zwischen den Bundesländern deutlich unterscheidet. Verlassen in Bayern lediglich 5,1 Prozent aller Abgänger die Schule ohne Abschluss, sind es in Bremen mit zehn Prozent fast doppelt so viele.

Größere Unterschiede lassen sich zudem im Zeitverlauf erkennen: Während die Quote in Bremen, Rheinland-Pfalz und im Saarland seit 2011 gestiegen ist, ist sie im selben Zeitraum in Berlin, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und am deutlichsten in Mecklenburg-Vorpommern gesunken. In Nordrhein-Westfalen waren es im Jahr 2021 5,9 Prozent — im Zehn-Jahres-Vergleich ein konstanter Wert. Die höchste Quote von Schulabgängern ohne Abschluss in NRW hat Gelsenkirchen (9,6 Prozent), Bottrop ist mit 2,8 Prozent am besten aufgestellt.

„Trotz positiver Entwicklungen in einzelnen Bundesländern ist es in den vergangenen zehn Jahren insgesamt nicht gelungen, den Anteil junger Menschen ohne Schulabschluss zu reduzieren“, sagt Nicole Hollenbach-Biele, Expertin für schulische Bildung bei der Bertelsmann Stiftung. Das sei insbesondere deshalb ein Problem, weil die moderne Arbeitswelt immer komplexer werde. Wer ohne Abschluss die Schule verlasse, habe ein höheres Risiko, in prekären Beschäftigungsverhältnissen zu landen, so Hollenbach-Biele.

Um Jugendlichen künftig bessere Perspektiven zu bieten, empfehlen die Studienautoren eine stärkere Digitalisierung in Schulen. Digitale Anwendungen könnten helfen, Lernrückstände frühzeitig zu erkennen und Schüler in ihrem Lernprozess individuell zu begleiten, so heißt es in der Studie. Zudem sei es sinnvoll, erlernte Kompetenzen über das klassische Abschlusszeugnis hinaus zu dokumentieren. „Alle Schüler, auch Jugendliche ohne Abschluss, erwerben im Laufe ihrer Schulzeit eine Vielzahl von fachlichen und überfachlichen Kompetenzen, die überhaupt nicht sichtbar werden. Dabei wären genau diese Informationen wichtig, um auch ohne formalen Schulabschluss die Chancen auf eine Ausbildung zu verbessern“, sagt Hollenbach-Biele.

Außerdem sollten die Bundesländer mit Hochdruck an der Umsetzung der sogenannten Schülerdatennorm arbeiten: Dieses Instrument ermöglicht es den Ländern, die Daten von Schülern ohne berufliche Anschlussperspektive an die zuständigen Jobcenter der Bundesagentur für Arbeit (BA) zu übermitteln. So könne die Berufsberatung leichter mit den Jugendlichen in Kontakt treten, um für den Übergang in berufsbildende Maßnahmen zu sorgen, heißt es in der Studie.

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