Berlin Schröders brisante Mission in Russland

Berlin · Mit der Umarmung für Putin setzte der Altkanzler ein politisches Zeichen. Teilnehmer aus der Wirtschaft fühlen sich instrumentalisiert.

Schon vor Monaten hatten die Top-Manager von Eon, BASF und Wintershall eine Einladung nach St. Petersburg erhalten. Auf dem Programm stand die reguläre Aufsichtsratssitzung des von Gazprom dominierten russischen Pipeline-Betreibers Nord Stream. Eon und BASF halten jeweils 15,5 Prozent an Nord Stream. Aufsichtsratschef ist der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder.

Wie hinter den Kulissen zu erfahren ist, kam kurzfristig auf Betreiben der Politik die abendliche Geburtstagsfeier hinzu. Gerhard Schröder, der am 7. April 70 Jahre alt wurde, wollte sich nach der Feier mit den Sozialdemokraten in Berlin auch in St. Petersburg noch einmal hochleben lassen. Für Eon nahmen an der Feier Bernhard Reutersberg, Vertriebs-Vorstand und als früherer Ruhrgas-Chef den Russen verbunden, sowie der Chef der Handelssparte, Christopher Delbrück, teil. Auch Wintershall-Chef Rainer Seele und BASF-Vorstand Harald Schwager feierten mit, die ebenfalls Nord-Stream-Aufsichtsräte sind. Man fühle sich von der Politik instrumentalisiert, heißt es in Branchenkreisen. Und erinnert sich an den jüngsten umstrittenen Besuch von Siemens-Chef Joe Kaeser bei Putin.

Altkanzler Gerhard Schröder benötigte offensichtlich eine unverfängliche Kulisse für seine brisante Mission in Russland. Am Montagabend stand er im Anzug mit verschränkten Armen vor dem Jussupow-Palais. Dann fuhr eine Kolonne schwarzer Limousinen vor; aus einer stieg Putin. Schröder bewegte sich auf den Freund zu und umarmte ihn. Fotografen schossen dann die Fotos, für die der frühere Kanzler viel Kritik einstecken musste.

Ein Mann, der sieben Jahre lang Bundeskanzler war und viele Wahlkämpfe bestritten hat, lässt Fotos nicht zufällig entstehen. Mit der Umarmung setzte Schröder ein Zeichen gegen die politische Isolierung Putins durch die Westmächte. Anschließend wurde mit feinsten russischen Speisen gefeiert. Putin hielt eine launige Rede, in Teilen in deutscher Sprache, auf den Siebzigsten des Altkanzlers. Schröder freute sich nach Angaben von Teilnehmern sichtlich über die Worte des russischen Präsidenten.

Abseits der Feier wurde dann Tacheles geredet. Putin traf nach Informationen unserer Zeitung mit Schröder und zwei weiteren Deutschen, dem langjährigen Hamburger Bürgermeister Henning Voscherau (SPD), der auch für die russische Gasindustrie tätig ist, und dem CDU-Außenpolitiker Philipp Mißfelder zusammen. Bei der Unterredung ging es dem Vernehmen nach um die Lage in der Ukraine und die vier deutschen Geiseln. Dabei handelt es sich um drei Bundeswehrangehörige und einen Dolmetscher. Sie waren für die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa in der Ukraine unterwegs und wurden von russischen Separatisten festgesetzt.

Was im Detail vereinbart wurde, darüber schwiegen sich die Teilnehmer aus. Für die Öffentlichkeit überraschend gab es am späten Dienstagabend ein Signal Putins, dass die Geiseln rasch freikommen könnten. Die russischen Separatisten in der Ukraine hingegen nutzten die Worte des Präsidenten zunächst einmal, um ihre Eigenständigkeit zu demonstrieren. "Wir hatten bisher noch keinen Kontakt zu Moskau und gehorchen hier auch nicht Putin, wir sind die Volksrepublik Donezk", sagte der prorussische Milizenführer Wjatscheslaw Ponomarjow der "Bild"-Zeitung. Solche Aussagen nutzen auch Putin, weil sie nahelegen, er habe es gar nicht in der Hand, was in der Ukraine geschieht. Was von den öffentlichen Signalen echte Konflikte sind und was nur Teil öffentlicher Inszenierung ist, ist schwer auseinanderzuhalten. Eindeutig war gestern die Botschaft der prorussischen Separatisten, dass es mit der Freilassung nicht schnell gehen werde. Solange die Geiseln in Gefangenschaft sind, richtet sich die Aufmerksamkeit der internationalen Öffentlichkeit auf sie, während die prorussischen Separatisten immer weiter ins Innere der Ukraine vorrücken.

Die deutschen Gäste, die bei der Nord-Stream-Feier dabei waren, müssen sich nun viel Kritik anhören. Auch einige deutsche Politiker sind in Erklärungsnot. Sie alle äußerten sich gestern auch auf Anfrage nicht zu ihrer Teilnahme an der Feier. Der NRW-Landesverband der CDU nahm seinen frisch gewählten Schatzmeister Philipp Mißfelder zum Teil in Schutz: Man verurteile die Reise nicht. "Ich erwarte aber, dass solche Kontakte genutzt werden, um Klartext mit dem russischen Präsidenten zu sprechen", sagte Landeschef Armin Laschet.

In Richtung Gerhard Schröder hagelte es weiter Kritik. Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier nannte die Umarmung mit Putin stillos. Und FDP-Chef Christian Lindner sagte, er habe für die Feier kein Verständnis.

(RP)
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