Vor der Regierungserklärung im Bundestag Schröder: Reformen notfalls ohne Gewerkschaften

Berlin (rpo). Nachdem eine Neuauflage des Bündnisses für Arbeit gescheitert ist, will Bundeskanzler Gerhard Schröder Reformen auch gegen den Willen der Gewerkschaften durchsetzen.

Kanzleramtschef Frank-Walter Steinmeier bestätigte am Dienstag Schröders neue Marschroute: "Der Kanzler ist nicht geneigt, sich in langwierige Verhandlungen zu begeben."

In einer Regierungserklärung vor dem Bundestag will Schröder am Freitag nächster Woche ein umfassendes Programm zur Modernisierung des Arbeitsmarktes und der Sozialsysteme sowie zur Ankurbelung der Konjunktur präsentieren. Er werde seine Ideen der Wirtschaft und den Gewerkschaften in getrennten Gesprächen erläutern und sich deren Positionen einholen, betonte Schröder. Er schränkte jedoch ein: "Ich werde nicht verhandeln." Bislang hatte sich der Kanzler bei wichtigen Projekten meist vor oder während des parlamentarischen Verfahrens um einen Konsens mit Wirtschaft und Gewerkschaften bemüht.

Während das Unternehmerlager die Ankündigung Schröders begrüßte, Reformen im Alleingang anpacken zu wollen, sprach DGB-Chef Michael Sommer eine "deutliche Warnung" aus: Wer radikalen Sozialabbau sowie deutliche Eingriffe in die Tarifautonomie und die Arbeitnehmerrechte wolle, "muss wissen, dass er sich die Gewerkschaften zum Feind macht". Im Einklang mit der Opposition forderten die führenden Wirtschaftsverbände Schröder auf, sich aus dem Griff der Gewerkschaften zu befreien. Nach Angaben von Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt plant die Regierung "nachhaltige und einschneidende Strukturreformen".

Am Montagabend war ein Gespräch Schröders mit Spitzenvertretern von Wirtschaft und DGB ohne greifbares Ergebnis zu Ende gegangen. Anschließend bezeichneten alle Beteiligten "das Bündnis für Arbeit in seiner bisherigen Form für tot". Sie erklärten sich lediglich zu weiteren Treffen auf bilateraler Ebene bereit. Es sei sinnvoll, weiter miteinander zu reden, hieß es von allen Seiten.

Übereinstimmung sei ihm Recht, betonte Schröder in der ARD. Doch auch ohne Konsens werde die Koalition mit ihrer Mehrheit "das Notwendige" im Bundestag durchsetzen. Es würde zu lange dauern, bis ein erneutes Spitzengespräch zu Stande komme. In der Zwischenzeit habe die Regierung die Pflicht zu handeln. Steinmeier betonte im ZDF: "Wir stehen unter Zeitdruck." Schröder werde in seiner Regierungserklärung "selbst die Linie vorgeben", wie das Sozialsystem und der Arbeitsmarkt erneuert werden könnten.

Wirtschaft und DGB machten sich gegenseitig für das Scheitern des Spitzengesprächs verantwortlich. Sommer beklagte, die Arbeitgeber hätten auf ihren alten Forderungen bestanden. Die Positionen der Sozialpartner lägen so weit auseinander, dass die Basis für gemeinsames Handeln zu schmal sei. Industrie-Präsident Michael Rogowski hielt dagegen, er habe nicht das Gefühl gehabt, dass die Teilnehmer der Runde bei Schröder wirklich zueinander finden wollten.

Die Union machte Schröder für das Scheitern der Gespräche verantwortlich. Das Treffen "mit diesem Kanzler" sei Zeitverschwendung gewesen, erklärte CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer.

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