Kanzler fordert von SPD Geschlossenheit bei Sozialreformen Schröder kämpft für Reformagenda

Berlin (rpo). Ein Bundeskanzler als verbaler Kämpfer: Auf dem Sonderparteitag der SPD forderte Gerhard Schröder die geschlossene Unterstützung für seine Sozialreformen.

In einer kämpferischen Rede auf dem SPD-Sonderparteitag am Sonntag in Berlin beschwor der Parteivorsitzende die gut 500 Delegierten, Mut zur Veränderung zu haben und ihm Rückendeckung für seine Reform- "Agenda 2010" zu geben. Die SPD müsse zu einem "Wandel in der Mentalität" bereit sein. Auch bei einem für den Nachmittag erwarteten klaren Ja des Parteitags zu Schröders Kurs gilt eine rot- grüne Mehrheit im Bundestag aber noch nicht als sicher.

Der Sonderparteitag war von SPD-Kritikern des Reformkurses nach der Regierungserklärung des Kanzlers am 14. März erzwungen worden. Vor dem Tagungshotel demonstrierten mehrere hundert Menschen und der Deutsche Gewerkschaftsbund gegen die geplanten Einschnitte ins Sozialsystem.

Erste Niederlage für SPD-Linke

Die Parteilinken haben auf dem SPD-Sonderparteitag eine erste Niederlage hinnehmen müssen. Nach Intervention von Bundeskanzler Gerhard Schröder votierten die rund 500 Delegierten für seinen Vorschlag, die Bezugsdauer für das Arbeitslosengeld wieder auf zwölf beziehungsweise 18 Monate für über 55-Jährige zu reduzieren. Die Linken wollten es bei der maximalen Bezugsdauer von 32 Monaten belassen, wenn den Betroffenen kein Arbeitsplatz angeboten werden kann.

Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement wies darauf hin, dass sich die Parteiführung verpflichtet habe, Jobs auf dem zweiten Arbeitsmarkt für Ältere zu schaffen, falls dies erforderlich werde. Er habe als Sicherheit für die Arbeitnehmer einen "Gürtel, noch einen Gürtel und Hosenträger" eingezogen.

"Es wird sich viel ändern müssen"

Schröder sagte: "Es wird sich viel ändern müssen, um Wohlstand und soziale Sicherheit zumindest auf dem gegenwärtigen Niveau zu gewährleisten." Er ermahnte seine Kritiker in der SPD-Fraktion, ihm die Gefolgschaft im Parlament nicht zu verweigern. Dort dürfe nicht "gewackelt" werden. Die SPD dürfe nicht den Eindruck von Zerstrittenheit oder Handlungsunfähigkeit vermitteln.

Redner der Parteilinken bestritten in der Aussprache die Notwendigkeit von Reformen nicht. Sie verlangten aber mehr soziale Ausgewogenheit und auch einen Beitrag der Reichen bei der Erneuerung des Sozialstaates. Der SPD-Sozialpolitiker Ottmar Schreiner sagte, niemand in der SPD wolle einen anderen Kanzler. Aber die "Agenda 2010" löse die Probleme auf dem Arbeitsmarkt nicht.

Die Sprecherin der Partei-Linken, Andrea Nahles, bekräftige ihre Forderung nach Wiedereinführung der Vermögensteuer. "Die SPD ist kein Nick-Dackel", sagte sie in Richtung Parteispitze. Fraktionschef Franz Müntefering schlug als Kompromiss eine Überprüfung der Steuer bis zum nächsten Parteitag im November vor. Nach seinen Worten wird mit Schröders Agenda der "Start in die Erneuerung des Landes angegangen".

Zustimmung für Regierungsarbeit

Schröder rief den Delegierten zu: "Wir brauchen von Euch möglichst große Zustimmung, damit wir unsere Regierungsarbeit fortsetzen können. Wir brauchen Euch möglichst alle, damit dies gelingt." Die Partei werde sich von lieb und "leider auch teuer" gewordenen Errungenschaften verabschieden müssen. Es müsse aber gehandelt werden, "weil sich seit unserem Wahlerfolg so vieles geändert hat".

Die veränderte wirtschaftliche Lage erfordere eine politische Zäsur. "Wer versucht, die Realität zu verdrängen, den drängt die Realität beiseite." Die hohe Arbeitslosigkeit sei nicht nur aus konjunkturellen Gründen auf weit mehr als vier Millionen angestiegen. Dafür gebe es auch strukturelle Ursachen. Die hohen Lohnnebenkosten führten dazu, dass Arbeitnehmer "immer weniger von ihrem Brutto in der Tasche behalten, und andererseits es für die Unternehmen immer teurer wird, Arbeitsplätze zu schaffen".

Mut zur Wahrheit

Auch die Alterssicherung und das Gesundheitssystem müssten den veränderten Bevölkerungsstrukturen angepasst werden. Nötig sei Mut zur Wahrheit. Er wolle "mit Stolz" vor den anderen Regierungschefs erklären können, dass die deutsche Regierung die Zeichen der Zeit erkannt und die notwendigen Änderungen eingeleitet habe.

Schröder versicherte, dass die SPD zu ihren sozialen Werten stehe und weiter für soziale Gerechtigkeit kämpfen werde. Aber nicht nur sozial Schwächere hätten Anspruch auf Sicherheit. "Deshalb sollten wir uns hüten, diejenigen, die heute schon leistungsstärker und selbstständiger sind, durch ständig neue Diskussionen um Steuern und neue Zwangsmaßnahmen zu verunsichern."

Verdammt anstrengend

Die SPD unterscheide sich nicht nur durch ihre sozialen Werte von anderen Parteien. "Wir sind auch deshalb eine andere Partei, weil wir uns die Entscheidungen verdammt nochmal nicht leicht machen." Und: "Wir bleiben eine Partei des Diskurses, auch wenn das manchmal verdammt anstrengend ist."

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