Großbritannien Schottische Nationalisten kommen Sieg immer näher

London · In Whitehall, dem Regierungsviertel in London, klingen die Alarmglocken. Die Volksabstimmung am 18. September über Schottlands Unabhängigkeit könnte sich zur Katastrophe für das Vereinigte Königreich auswachsen. Die letzte Umfrage zeigt ein überraschendes Erstarken der Nationalisten.

 Werbesticker und Buttons werben für ein unabhängiges Schottland.

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Foto: afp, mb

Nachdem die Befürworter der Unabhängigkeit monatelang in den Umfragen stagnierten, holten sie im letzten Monat deutlich auf. Anfang August lag das Ja-Lager bei 39 Prozent, während die Anhänger der Union mit dem Vereinten Königreich mit 63 Prozent führten. Zwei Wochen später kletterten die Separatisten schon auf 43 Prozent. Und jetzt, etwas mehr als zwei Wochen vor dem Referendum, zeigt eine Umfrage des Instituts YouGov, dass sie nur noch wenige Punkte vom Sieg entfernt sind: 47 Prozent für das Ja-, 53 Prozent für das Nein-Lager. Die Union, titelte die Londoner Tageszeitung "Times" gestern, "steht auf Messers Schneide".

Zwei Faktoren dürften für den Aufwärtstrend verantwortlich sein. Unter den schottischen Wählern, die noch unentschieden sind, neigen zwei Drittel eher zu einer Ja-Stimme. Und immer mehr Schotten, die bei der letzten Parlamentswahl die Arbeiterpartei Labour gewählt haben, können sich jetzt für den nationalen Alleingang erwärmen.

Alex Salmond, schottischer Ministerpräsident und Chef der "Scottish National Party" (SNP), findet offensichtlich Resonanz mit seinen Warnungen, was auf das Land zukommen könnte, wenn es nicht unabhängig würde: weitere Einschneidungen im Sozialen, eine Privatisierung des Nationalen Gesundheitsdienstes, neoliberale Wirtschaftspolitik. Schottland, im Unterschied zum Rest des Königreichs, steht links, und die Schotten wollen nicht von den Konservativen, die 2010 die britischen Unterhauswahlen gewannen, regiert werden.

Es ist überraschend, wie wenig die britische Regierung sich auf einen möglichen Sieg der Nationalisten vorbereitet hat. Von Notfallplänen für diese Eventualität hört man nichts. Vielleicht liegt es daran, dass man sich die Auswirkungen gar nicht ausmalen will, weil sie so katastrophal wären. Von den politischen Konsequenzen - Premierminister Cameron müsste wahrscheinlich zurücktreten - bis zu den wirtschaftlichen - das Pfund geriete unter enormen Druck, die Wachstumsprognosen des Schatzkanzlers wären Makulatur - sieht das Szenario im Falle einer Stimme für die Unabhängigkeit verheerend aus.

Noch haben die Unionisten einen Vorsprung. Aber die SNP hatte schon 2011 bei den Wahlen zum Regionalparlament demonstriert, wie man einen dramatischen Umschwung hinlegt: In den letzten Wochen vor dem Wahlgang lag man in den Umfragen zurück, dann errang man die absolute Mehrheit.

(RP)
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