London Schlammschlacht in London

London · Der Bürgermeisterwahlkampf in London gerät außer Kontrolle: Ein Streit in einem Fahrstuhl zwischen den zwei Top-Kandidaten sorgt seit Tagen für Gesprächsstoff in der britischen Hauptstadt.

Es geschah am 2. April im Gebäude des Radiosenders LBC. Nach einer Live-Diskussion gingen der jetzige Amtsinhaber Boris Johnson und sein Vorgänger Ken Livingstone im Lift aufeinander los. "Sie standen Nase an Nase, rot vor Wut, und Boris brüllte dreimal: ,Du verdammter Lügner'", berichtete ein Zeuge. Der Skandal markierte den Tiefpunkt einer zügellosen Kampagne in der Metropole. Danach geriet der Wahlkampf völlig außer Kontrolle. "Feiges Huhn, Schleimhaufen, Lügner, Faulpelz" – das sind nur einige der Kränkungen, mit denen Labour und die Tories die jeweiligen Gegner attackieren.

Der konservative Ex-Journalist mit der blonden Zottelfrisur braucht bei der Vorstellung seinen Nachnamen nicht zu nennen: In London heißt er schlicht "der Boris". Der 47-jährige Johnson ist ein unterhaltsamer Zyniker mit Oxford-Abschluss, ein wortgewaltiger Exzentriker und ohne Zweifel die schillerndste Figur der britischen Politik. Vor vier Jahren ließ sich der draufgängerische Spaßvogel mit einem knappen Vorsprung von 139 000 Stimmen zum Bürgermeister wählen. Bei der Abstimmung am 3. Mai wird er gegen den Labour-Politiker Ken Livingstone antreten, der London zwischen 2000 und 2008 regiert hat.

Zwar bewerben sich vier weitere Kandidaten um den Mayor-Posten, doch sie werden wohl nur die Nebenrollen in der Schlacht zwischen den zwei Schwergewichten spielen. Der "rote" Ken gilt als erfahren, aber auch als altmodisch, farblos und unehrlich. Boris wirkt frisch und direkt, allerdings wird der "Tory-Clown" dafür kritisiert, dass er seine Ignoranz mit amüsantem Populismus übertüncht, in dem aggressive Untertöne mitschwingen.

Johnson lässt alle Vorwürfe an sich abprallen, indem er sie in einen Scherz umwandelt. Er hat diese Strategie so weit perfektioniert, dass ihm der Popularitätsverlust seiner Partei nichts anhaben kann. In den Umfragen führt der Londoner Bürgermeister deutlich vor Livingstone, der sechs Prozent aufholen muss, um eine Gewinnchance zu haben.

Acht Monate nach den Krawallen an der Themse steht das Thema Recht und Ordnung im Mittelpunkt des Wahlkampfes von Boris Johnson, der trotz aller Sparzwänge die Zahl der Londoner Polizisten auf dem "sicheren Niveau" von 32 500 Mann halten will.

Dafür will Ken Livingstone die Ticketpreise in der U-Bahn um sieben Prozent senken. Bei der Vorstellung seines Wahlprogramms hat der 66-Jährige geweint – angeblich "aus Mitgefühl für die hungrigen Kinder", die von den Tories betrogen worden seien. Der emotionale Auftritt brachte ihm ein paar Punkte ein. Zuvor hatte die Kampagne des Herausforderers allerdings durch eine missglückte Offensive einen Rückschlag erlitten.

(RP)
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