Innenminister übernimmt Verantwortung Schily: Keine Chance für zweites NPD-Verfahren

Berlin (rpo). Innenminister Otto Schily sieht für ein zweites Verbotsverfahren gegen die NPD kaum eine Chance. Am Vormittag hatte das Bundesverfassungsgericht das Verbotsverfahren eingestellt.

Nach dem Scheitern des NPD-Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht wird es zunächst keinen neuen Anlauf für ein Verbot der rechtsextremistischen Partei geben. Das Verfassungsgericht habe "unerfüllbare" Bedingungen für eine Neuauflage des Prozesses gestellt, sagte Schily am Dienstag in Berlin. Daraus ergebe sich eine "Sperrwirkung" für einen neuen Verbotsantrag. Ähnlich äußerten sich mehrere Ministerpräsidenten und der bayerische Innenminister Günther Beckstein.

Das Bundesverfassungsgericht hatte das Verbotsverfahren gegen die NPD eingestellt, weil im Beweismaterial der Antragsteller - Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat - Aussagen von V-Leuten des Verfassungsschutzes verwendet wurden. Politiker aller im Bundestag vertretenen Parteien betonten, dass sich die Entscheidung lediglich auf Verfahrensfragen beziehe und keinen "Persilschein" für die NPD bedeute. Die Grünen forderten eine umfassende Geheimdienstreform.

Schily übernahm die Mitverantwortung für das Scheitern des Verfahrens. Zu persönlichen Konsequenzen sehe er aber "überhaupt keine Veranlassung", sagte er. Die Auffassung der Minderheit des Zweiten Senats des Verfassungsgericht, die das Verfahren mit ihrer Sperrminorität gekippt hatte, halte er für "rechtsirrig", sagte der SPD-Politiker. Die Gewinnung von Informationen über V-Leute stelle keine Einflussnahme auf die Willensbildung der NPD dar.

Der Innenminister machte erneut deutlich, dass er die NPD unverändert für verbotswürdig halte. "Das ist der blanke Antisemitismus, der hier in organisierter Form auftritt", sagte er. Neuen Verbotsanträgen räumte er aber keine Chance ein. Für einen neuen Anlauf müsste die Arbeit der Verfassungschutzämter eingeschränkt werden. Dieses Hindernis sei kaum überwindbar.

Auch die Ministerpräsidenten Hessens und Schleswig-Holsteins, Roland Koch (CDU) und Heide Simonis (SPD), sprachen sich gegen eine Neuauflage des Prozesses aus. Beide plädierten dafür, die NPD nun politisch zu bekämpfen. "Die wehrhafte Demokratie ist immer gut damit gefahren, ihre Feinde offen ins Visier zu nehmen", sagte Koch. Bayerns Innenminister Beckstein (CSU) erklärte: "Leider muss die Polizei nun weiterhin die martialischen Aufmärsche der NPD schützen und die Steuerzahler die Teilnahme der NPD an Wahlen finanzieren."

Union: Schily trägt "die volle politische Verantwortung"

Die Grünen forderten, es müsse schleunigst eine Kommission eingerichtet werden, die die Arbeit der 17 Verfassungsschutzämter grundlegend auf den Prüfstand stellt. "Ziel muss es sein, durch den Abbau von Aufgabenüberschneidungen, Mehrfachzuständigkeiten und Parallelarbeit künftige Pannen auszuschließen", erklärten Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck und Fraktionsvize Hans-Christian Ströbele. Dabei müsse eine Zusammenlegung von Verfassungsschutz, Bundesnachrichtendienst und Militärischem Abschirmdienst in Erwägung gezogen werden. Zudem forderten die beiden Grünen-Politiker die Einsetzung eines Geheimdienstbeauftragten.

FDP-Chef Guido Westerwelle bezeichnete die Einstellung des NPD-Verbotsverfahrens als "justizpolitisches Desaster" und machte Schily und Beckstein dafür verantwortlich. Die Unionsfraktion im Bundestag sahen dagegen Schily als Hauptschuldigen. Der Bundesinnenminister trage "die volle politische Verantwortung", erklärten die innenpolitischen Sprecher Hartmut Koschyk und Thomas Strobl.

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