Analyse Nullrunde für Scheidungskinder

Berlin/Düsseldorf · In der Landeshauptstadt ist die neue "Düsseldorfer Tabelle" vorgestellt worden. Sie regelt die Höhe der Unterhaltszahlung für Kinder getrennt lebender Eltern. Mehr Geld gibt es auch Anfang des kommenden Jahres nicht.

Den Richtern im altehrwürdigen Plenarsaal des Düsseldorfer Oberlandesgerichts ist an diesem Morgen anzumerken, dass sie sich nicht sonderlich wohl fühlen mit dem, was sie da gerade der Öffentlichkeit präsentieren: Üblicherweise alle zwei Jahre wird in der NRW-Landeshauptstadt die sogenannte "Düsseldorfer Tabelle" vorgestellt. Sie regelt insbesondere zwei Dinge: die Höhe der Unterhaltszahlungen für Scheidungskinder und die Höhe des Betrags, die der zahlungspflichtige Elternteil vom eigenen Einkommen für sich behalten darf.

Die gestrige Botschaft, die die Richter als "unschön" bezeichneten: Während es ab Januar 2015 finanzielle Erleichterungen für die zahlungspflichtigen Elternteile gibt, ändert sich für die betroffenen Kinder an der Unterhaltshöhe nichts. Eine Nullrunde also. "Leider beschränkt sich die Anpassung in diesem Jahr auf den Selbstbehalt", erklärte Jürgen Soyka, Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Düsseldorf.

Grund für die einseitige Anpassung ist die Berechnungsgrundlage für beide Werte: Während für die Anpassung der Unterhaltshöhe der steuerliche Kinderfreibetrag und damit das Bundesfinanzministerium verantwortlich ist, sind es beim Selbstbehalt die Hartz-IV-Sätze. Weil diese ab dem kommenden Jahr steigen, steigt auch der Selbstbehalt - in diesem Fall um 80 Euro monatlich. Es ist seit 2010 die zweite Anpassung nach oben; die Höhe der Unterhaltszahlung blieb im gleichen Zeitraum konstant. Das führt unterm Strich für die betroffenen Kinder zu Verlusten, denn die Preise für Güter und Dienstleistungen sind im gleichen Zeitraum kontinuierlich gestiegen. Reallohnverluste würde man das in der Sprache der Arbeitswelt nennen.

"Die Situation liegt nicht in unserem Ermessen", sagt Richter Soyka. "Wir sind aber zuversichtlich, dass die Politik den Kinderfreibetrag Mitte 2015 anheben wird." Dazu muss die Regierung jedoch erst den sogenannten Existenzminimumbericht auswerten. Nach Informationen unserer Zeitung soll der Existenzminimumbericht am 17. Dezember vom Bundeskabinett beschlossen werden. Die genauen Zahlen sind noch nicht bekannt. Klar ist aber, dass es eine Anpassung nach oben geben muss. Der Existenzminimumbericht wird alle zwei Jahre vorgelegt. Bereits der Bericht von 2012 hatte für das Jahr 2014 eine Anhebung des jährlichen Steuerfreibetrags pro Kind um 72 Euro für notwendig erklärt. Passiert ist bisher aber nichts. Da der Gesetzgeber in der Regel mit dem Steuerfreibetrag auch das Kindergeld anhebt, wäre eine Kindergelderhöhung um zwei Euro pro Monat fällig geworden. Der Bund hat sich bislang aber gedrückt. Denn die Kosten auch für eine Mini-Kindergelderhöhung sind beträchtlich. Wie aus einer Antwort des Finanzministeriums auf Anfrage der Linksfraktion hervorgeht, würden die Anhebung des jährlichen Freibetrags um 72 Euro und eine Erhöhung des Kindergelds um zwei Euro pro Monat bereits rund 425 Millionen Euro pro Jahr kosten.

Es ist damit zu rechnen, dass der neue Existenzminimumbericht, der dann wiederum für die kommenden zwei Jahre die Maßstäbe setzen soll, eine über 72 Euro hinausgehende Erhöhung des Kinderfreibetrags notwendig machen wird. "Die Erhöhungen des Kinderfreibetrages und des Kindergeldes sind längst überfällig. Es kann nicht sein, dass der Bundeshaushalt zulasten der Familien saniert werden soll", sagte der Präsident des Familienbundes der Katholiken, Stefan Becker, unserer Zeitung.

Aus Regierungskreisen hieß es, dass mit einer Erhöhung des Steuerfreibetrags für Kinder im kommenden Jahr tatsächlich zu rechnen sei. Die Frage, ob parallel auch das Kindergeld erhöht wird, sei offen. Verpflichtet ist der Gesetzgeber dazu nicht.

Die Scheidungskinder sollen immerhin profitieren, sobald sich die Politik für einen höheren Kinderfreibetrag ausgesprochen hat: Die Werte in der "Düsseldorfer Tabelle" könnten dann - entgegen dem üblichen Zwei-Jahres-Rhythmus - vorzeitig nach oben korrigiert werden. In der Landeshauptstadt ist man vorbereitet: "Wir werden den Gesetzgebungsprozess aufmerksam begleiten und haben dann bereits eine entsprechend angepasste Tabelle in der Schublade, die wir schnell umsetzen können", sagt Soyka.

Der einseitig erhöhte Selbstbehalt führt unterdessen zu einer stärkeren Belastung der Bundesagentur für Arbeit, der Sozialämter und der Unterhaltsvorschusskasse. Schließlich wird der Kindesunterhalt auch auf die Hartz-IV-Leistungen angerechnet. Im Klartext: Hat der Unterhaltszahler nur ein niedriges oder gar kein Einkommen, darf er aufgrund des Selbstbehaltes mehr für sich behalten, entsprechend niedriger fällt dann die Zahlung an seine Kinder aus. Damit diese wiederum das Existenzminimum erreichen, müssen sie den fehlenden Betrag vom Staat zugeschossen bekommen. Nach Angaben der Familienrichter führt das zu Mehrausgaben der Staatskasse "in einer Riesenhöhe". Genaue Zahlen wollten die Richter nicht nennen.

Die "Düsseldorfer Tabelle" berücksichtigt neben den Unterhaltszahlungen für Kinder auch Vorgaben für den Fall, dass Kinder ihre mittellosen Eltern finanziell unterstützen müssen. Für diese Fälle steigt die Selbstbehalt-Grenze um 200 Euro pro Monat und liegt künftig bei 1800 Euro. Ehegatten, die für ihre Ex-Partner zahlen müssen, dürfen künftig 100 Euro mehr und damit einen Selbstbehalt von 1200 Euro geltend machen.

(qua)
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