Lenker der politischen Geschicke des Lande "Schattenshogun" Takeshita gestorben

Tokio (AP). Noboru Takeshita, einer der einflussreichsten japanischen Politiker des vergangenen Jahrzehnts, ist am Montag im Alter von 76 Jahren gestorben. Der ehemalige Ministerpräsident erlag nach Angaben eines Familiensprechers nach langer Krankheit in einer Tokioter Klinik einem Lungenversagen. Takeshita, der wegen eines Bestechungsskandals das Amt des Regierungschefs 1989 aufgeben musste, galt auch danach als Lenker der politischen Geschicke des Landes.

Erst im vergangenen Monat hatte Takeshita - nach bereits mehr als einjähriger Behandlung im Krankenhaus - sein Ausscheiden aus der Politik bekannt gegeben.

Der Englischlehrer wurde erstmals 1958 in das Parlament in Tokio gewählt. 1987 wurde er Ministerpräsident. Wegen des Skandals musste er jedoch schon zwei Jahre später zurücktreten. Seine Macht nahm danach aber eher noch zu. Er wurde "Schattenshogun" genannt, weil er die japanische Politik aus dem Hintergrund mitbestimmte. Seine beiden Nachfolger an der Regierungsspitze, Sosuke Uno und Toshiki Kaifu, galten als von Takeshita ausgewählt. Auch Ministerpräsident Keizo Obuchi, der Mitte Mai überraschend nach einem Schlaganfall starb, wurde von Takeshita gefördert. Takeshita war bis Mitte der 90er Jahre Vorsitzender der stärksten Gruppe der regierenden Liberaldemokratischen Partei (LDP) im Parlament, dann übertrug er das Amt auf Obuchi.

"Es gab keinen anderen Politiker, der so viele Menschen in der politischen Welt ausgebildet hat", würdigte Finanzminister Kiichi Miyazawa den Verstorbenen. Die Macht Takeshitas habe nicht auf seinem Charisma und seiner Intelligenz beruht, sondern auf seiner Fähigkeit, hinter den Kulissen Netzwerke aufzubauen, sagte Jiro Yamaguchi von der Universität Tokio. Sein Verhandlungsgeschick sei eine Kunst gewesen. Ministerpräsident Yoshiro Mori bedauerte, dass Takeshita die Parlamentswahlen in der kommenden Woche nicht mehr erleben konnte.

LDP-Generalsekretär Hiromu Nonaka besuchte Fernsehberichten zufolge am Montag das Haus Takeshitas, wohin der Verstorbene gebracht worden war. Der Tod des Politikers fällt in die Kampagne für die am Sonntag anstehenden Unterhaus-Wahlen. Regierungssprecher Mikio Aoki sagte seine Wahlkampftermine ab und reiste laut einem Bericht des Fernsehsenders NHK nach Tokio. Takeshita war verheiratet und hatte drei Töchter. Die Beerdigung ist für Mittwoch im Familienkreis geplant.

(RPO Archiv)
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