Sarrazin erhitzt NRW-Landtag

Er war zwar nicht physisch anwesend, doch im Düsseldorfer Landtag war sein Name gestern zeitweise der meistgenannte: Am Provokateur Thilo Sarrazin, den die SPD wegen seiner Ausländer-Thesen ausschließen will, entzündete sich eine hitzige Plenardebatte, die harmlos begonnen hatte.

Die FDP, die die Aussprache über Erfolg und Versäumnisse der Integrationspolitik beantragt hatte, wies Sarrazins Behauptung, wonach gesellschaftliche Entwicklungen auf biologische Anlagen zurückzuführen seien, als "völlig inakzeptabel" zurück. Michael Solf (CDU) meinte, vieles von dem, was Sarrazin schreibe, sei zwar richtig. Aber Sarrazin entwerte alles durch seine "vulgär-darwinistischen Scheinanalysen".

Solf kritisierte zudem, dass die rot-grüne Landesregierung den Bereich Integration dem Ministerium für Arbeit und Soziales zugeordnet und somit zum "Anhängsel der Themen Arbeitsmarkt und soziale Sicherung" gemacht habe.

Die Neuordnung sei genau richtig, konterte Arbeitsminister Guntram Schneider (SPD). Was er nicht sagte: Angeblich hat er seinen Wechsel vom DGB-Landesvorsitz in die Ministerriege von Hannelore Kraft (SPD) davon abhängig gemacht, dass er nicht nur für Arbeit und Soziales, sondern auch für Integration zuständig ist. "Alles andere war ihm zu wenig", berichten Insider.

Im Landtag sagte Schneider gestern, man solle "nicht über jedes Stöckchen springen" und sich nicht so viel mit Sarrazin abgeben. Armin Laschet (CDU), ehemaliger NRW-Integrationsminister, widersprach heftig: Der Bucherfolg Sarrazins und die Tatsache, dass viele Menschen ihm Recht gäben, seien Anlass genug, sich mit den von ihm aufgeworfenen Fragen zu beschäftigen. Die SPD neige dazu, ihr unliebsame Parteimitglieder wie Wolfgang Clement und jetzt Sarrazin auszustoßen: "Wen wollen Sie denn noch alles ausschließen, wenn er anderer Meinung ist?"

Auf laute Zwischenrufe von SPD und Linken rief Laschet erregt, Sarrazin sei jahrelang als Finanzsenator in Berlin tätig gewesen. Dort koaliere die SPD "mit den Kommunisten", und dort gebe es auch die meisten Probleme mit der Integration von Zuwanderern. Laschet: "Da, wo SPD und Linke regieren, haben Migranten die schlechtesten Bedingungen."

Monika Düker, Landeschefin der Grünen, warf Laschet vor, eine "Bewerbungsrede" für den CDU-Vorsitz gehalten zu haben. Schneider sprach von "Vergiftung", obwohl CDU-Fraktionschef Karl-Josef Laumann erst am Vortag zur Überparteilichkeit bei der Integrationspolitik gemahnt habe. Laschet, der als Minister gute Politikansätze zustande gebracht habe, bringe mit Reden wie dieser sein "Lebenswerk in Gefahr", sagte Schneider.

Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) wiederum rief dazu auf, "Sarrazin nicht aufzuwerten". Für Carolin Butterwegge (Linke) ist die Integrationspolitik der letzten Jahre "spaltend": Willkommen seien hierzulande nur diejenigen, die nützlich sind. Die "Einordnung von Menschen nach Verwertungskriterien" müsse beendet werden.

Schneider kündigte ein Integrationsgesetz an, ohne Einzelheiten zu nennen. "So schnell als möglich" solle an den Schulen Religionsunterricht für Moslems erteilt werden. Im Landesdienst werde der Anteil von Menschen mit Migrationsgeschichte aufgrund des anonymisierten Bewerbungsverfahrens steigen. Ausländer aus Nicht-EU-Staaten sollen das kommunale Wahlrecht erhalten. Schneider: "Unsere Integrationspolitik beginnt unten."

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