Paris Sarkozys libysche Affäre

Paris · Seit Jahren vergiftet der Verdacht, der frühere Präsident Nicolas Sarkozy habe seinen siegreichen Wahlkampf 2007 durch den libyschen Diktator Muammar al Gaddafi finanzieren lassen, die französische Politik.

Im Hotel Marigny, der Gästeresidenz der französischen Staatspräsidenten direkt gegenüber dem Elysée-Palast, ist die Erinnerung an jene Woche im Dezember 2007 noch sehr lebendig. Damals stand im Park des Anwesens ein luxuriöses Beduinenzelt, behaglich beheizt und mit Satellitenempfang. Eine Woche lang hielt hier Libyens Machthaber Muammar al Gaddafi extravagant Hof und machte Frankreichs Präsidenten Nicolas Sarkozy damit zum Gespött der Nation.

Schon damals ließ die ungewöhnliche Nachsicht, mit der der Hausherr im Elysée-Palast die peinlichen Eskapaden des Gastes aus Tripolis ertrug, Kritiker argwöhnen, Sarkozy sei Gaddafi irgendwie verpflichtet. Im Frühjahr 2007, kurz vor der Stichwahl zum Elysée, waren Vorwürfe laut geworden, Gaddafi habe Sarkozys Wahlkampf mit 50 Millionen Euro gesponsort. Das Webmagazin "Mediapart" zitierte aus einem Brief von Gaddafis Geheimdienstchef Mussa Kussa, wonach im Oktober 2006 mit Sarkozys Vertrautem Brice Hortefeux eine entsprechende Vereinbarung getroffen worden sei. Sarkozy dementierte die Behauptungen damals in Bausch und Bogen als "niederträchtiges Wahlkampfmanöver".

Kurz vor der Präsidentschaftswahl 2012 legte "Mediapart" nach und veröffentlichte neue Dokumente, die den Korruptionsverdacht gegen Sarkozy und sein Umfeld stützten. Demnach soll Gaddafi erste Kontakte nach Paris bereits 2003 geknüpft haben, und zwar über einen schillernden Mittelsmann, den franko-libanesischen Waffenhändler Ziad Takieddine. Sarkozy verlor die Wahl gegen den Sozialisten François Hollande. Auch vergangenes Jahr, als der Konservative ein politisches Comeback versuchte, wurden plötzliche neue Details zur Libyen-Connection bekannt. Nicht nur Anhänger Sarkozys sind daher fest davon überzeugt, dass es sich bei der Libyen-Affäre in Wirklichkeit eine Schmutzkampagne politischer Gegner handelt.

Trotzdem zieht die Justiz die Schlinge um Sarkozy offenbar immer enger. In den von "Médiapart" veröffentlichten Papieren war auch die Rede von Vermittlungskommissionen für lukrative Aufträge in Libyen. Bei den Ermittlungen zu der Affäre, die die französische Justiz schließlich 2013 offiziell einleitete, stießen die Fahnder prompt auf die Summe von 500.000 Euro, die der enge Sarkozy-Mitarbeiter Claude Guéant 2007, kurz nach dem spektakulären Staatsbesuch Gaddafis, in den Kauf eines Pariser Appartements investiert hatte. Guéant gab an, er habe das Geld durch den Verkauf von drei Gemälden erlöst, konnte dies aber nicht belegen.

Im September 2016 wurden dann neue belastende Dokumente von Gaddafis früherem Erdölminister Choukri Ghanem bekannt. Der Intimus des Diktators hatte über die Millionenzahlungen akribisch Buch geführt. Ghanem war im April 2012 in der Donau ertrunken, seine Leiche in Wien geborgen worden. Die österreichische Polizei legte den Vorgang als Unfall zu den Akten.

Im November 2016 brach schließlich der mysteriöse Mittelsmann Takieddine sein Schweigen und sagte vor der französischen Justiz und später auch vor laufenden Kameras zu den genauen Umständen der angeblichen Wahlkampffinanzierung aus. Demnach will Takieddine allein zwischen November 2006 und Januar 2007 persönlich drei Koffer voller Bargeld ins Pariser Innenministerium gebracht haben, das seinerzeit von Sarkozy geleitet wurde. Dessen damaliger Stabschef Guéant habe das Geld, insgesamt fünf Millionen Euro, in Empfang genommen. Nach Erkenntnissen der Ermittler soll Guéant jeweils kurz danach im Tresorraum der Pariser Großbank BNP aufgetaucht sein, um etwas in einem Safe zu deponieren. Damit konfrontiert, behauptete Guéant, er habe dort lediglich Sarkozys Rede-Manuskripte verwahrt.

Freilich, Takieddine, der sich mehrfach in Widersprüche verwickelte, darf nicht als unbedingt glaubwürdig gelten. Und bisher ist auch ungeklärt, warum etwa Gaddafis Sohn unwiderlegbare Beweise für die Geldtransfers zwar angekündigt, aber nie geliefert hat. Doch selbst dieser Punkt schürt einen neuen Verdacht: Nun stellen sich die Franzosen die böse Frage, ob die Libyen-Connection Sarkozy 2011 motivierte, militärisch so energisch in dem Land einzugreifen. Es ist bekannt, dass der französische Präsident damals mit Luftangriffen nicht nur die bedrohte Zivilbevölkerung schützen wollte, er drängte vehement auf einen Regimewechsel. Ging Sarkozy auch deswegen so kompromisslos gegen Gaddafi vor, um einen unbequemen Mitwisser auszuschalten?

(RP)
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