Moskau Russlands Homosexuelle uneins über Olympia-Boykott

Moskau · Der wachsende Druck auf Schwule und Lesben in Russland hat nicht nur im Westen eine Debatte über den Boykott der Olympischen Winterspiele in Sotschi 2014 entfacht. Auch Russlands Homosexuelle sind in der Frage des Boykotts gespaltener Meinung.

 Polizei geht gegen demonstrierende Homosexuelle in Moskau vor.

Polizei geht gegen demonstrierende Homosexuelle in Moskau vor.

Foto: AP

"Das ist nicht fair gegenüber den Sportlern, die ihr ganzes Leben von einer Teilnahme geträumt haben", sagt Polina Andrionowa, die sich seit zwölf Jahren für die Rechte von Schwulen und Lesben engagiert. Besser wäre es, meint sie, wenn Sportler und Funktionäre bei Live-Interviews in Sotschi gleiche Rechte für Schwule und Lesben fordern würden. Auch vom Internationalen Olympischen Komitee erwartet Andrionowa mehr Engagement: "Die Organisatoren und die Sponsoren der Olympischen Spiele sollten von der russischen Regierung fordern, dass sie Gesetze gegen Homosexuelle wieder zurücknimmt."

Ähnlich sieht das Nikolaj Aleksejew, Organisator der Moskauer "Gay Pride"-Parade: "Ein Boykott bringt nichts und ist unrealistisch. Sotschi ist eine gute Chance, Aufmerksamkeit für dieses Thema zu wecken." Am Eröffnungstag will Aleksejew daher eine Homo-Parade in Sotschi organisieren. "Internationaler Druck ist wichtig, um eine Eskalation der homophoben Stimmung in Russland zu verhindern", sagt der Aktivist. "Ich würde mich nicht einmal wundern, wenn Russland Homosexualität wieder unter Strafe stellt." Ein entsprechender Paragraf aus der Sowjetzeit war 1993 abgeschafft worden.

Zu den Befürwortern eines Boykotts gehört die Journalistin Mascha Gessen. Auch die 46-jährige Moskauerin, die mit ihrer Partnerin zwei Kinder erzieht, spürt den zunehmenden Druck. Ihren zwölfjährigen Adoptivsohn Wladimir hat sie jetzt in ein Internat in den USA geschickt – aus Angst, die Behörden könnten ihr das Kind wegnehmen. Gessen argumentiert: Wer die Spiele boykottiere, zeige der russischen Führung, dass die Hexenjagd auf Homosexuelle ihr finanzielle Verluste und diplomatischen Ärger bringe. Wolle man also die Regierung treffen, müsse man die Olympischen Spiele unbedingt boykottieren.

(RP)
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