Berichterstattung über Terroraktionen eingeschränkt Russland will Pressegesetze verschärfen

Moskau (rpo). Als Konsequenz aus dem Geiseldrama hat das russische Parlament die Pressegesetze verschärft. Die Medien dürfen demnach künftig keine Informationen mehr verbreiten, die Anti-Terror-Maßnahmen behindern könnten.

Menschenrechtsaktivisten beklagten, das neue Gesetz werde die Berichterstattung über den Krieg in Tschetschenien weiter erschweren. Der tschetschenische Rebellenführer Schamil Basajew erklärte im Internet, er habe die Geiselnahme organisiert.

Die Gesetzesänderung wurde mit 231 zu 106 Stimmen angenommen, sie muss jetzt noch vom Oberhaus verabschiedet und von Präsident Wladimir Putin unterzeichnet werden. Die tschetschenischen Geiselnehmer in dem Musical-Theater von Moskau "hatten einen Medienplan ausgearbeitet", erklärte Medienminister Michail Lesin in einem Zeitungsinterview. "Sie waren sehr gut vorbereitet, was die Massenmedien und Journalisten betrifft."

Das Unterhaus hatte den Änderungen schon am 23. Oktober vorläufig zugestimmt, wenige Stunden bevor die Geiselnehmer das Theater stürmten und mehr als 800 Menschen gefangennahmen. Spezialeinheiten beendeten das Geiseldrama drei Tage später blutig, 41 Kidnapper und mindestens 119 Geiseln wurden getötet.

Während des Geiseldramas hatten Fernsehsender mehrere Stunden live vor Ort berichtet, Radiosender telefonierten mit Geiseln. Die Geiselnehmer luden sogar ein Fernsehteam des Senders NTW in das Theater ein. Das Interview wurde in Auszügen ausgestrahlt, das wäre nach der Gesetzesänderung nicht mehr erlaubt.

Der Direktor des Zentrums für Journalismus in Extremen Situationen, Oleg Panfilow, erklärte, eine freie Debatte über den Krieg in Tschetschenien werde in Zukunft nicht mehr möglich sein. "Alles, was wir heute hier diskutieren, kann jetzt unter die Rubrik Behinderung einer Anti-Terror-Operation fallen", sagte er.

Leichen der Geiselnehmer nicht an Familien gegeben

Ebenfalls am Freitag beschloss das Unterhaus, die Übergabe der Leichen der Geiselnehmer an ihre Familien zu verbieten. Die Abgeordneten entschieden mit 288 Stimmen zu einer außerdem, die Orte der Grabstätten nicht der Öffentlichkeit mitzuteilen.

Die russische Regierung hatte zuvor erklärt, Basajew habe die Geiselnahme mit Billigung des tschetschenischen Präsidenten Aslan Maschadow geplant. Im Internet hieß es in einer angeblichen Erklärung Basajews, die Tschetschenen wollten den Krieg weiterhin nach Russland tragen, in Zukunft aber keine Geiseln mehr nehmen. Er selbst werde von allen Ämtern unter Maschadow zurücktreten. Basajew entschuldigte sich dafür, den Präsidenten nicht über die geplanten Geiselnahme in Moskau informiert zu haben. Die Authentizität der Stellungnahme konnte nicht bestätigt werden. Ein Vertrauter Putins, Sergej Jastrschembski, wies die Erklärung zurück und sagte, Basajew wolle Maschadow schützen.

Etwa 172 ehemalige Geiseln waren am Freitag nach Angaben der russischen Gesundheitsbehörden noch im Krankenhaus. 497 wurden bereits entlassen.

Die russische Regierung forderte unterdessen das Nachbarland Georgien erneut auf, mutmaßliche tschetschenische Rebellen auszuliefern. Ein Sprecher des Außenministeriums verwies auf die internationale Unterstützung, die Moskau während der Geiselnahme erhalten habe. Acht Rebellen müssten sofort an Russland übergeben werden.

(RPO Archiv)
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