Moskau Russland debattiert über Nazi-Stempel für deutsche Hersteller

Moskau · Der Gesetzvorschlag kommt von der Kremlpartei. Für italienische und japanische Firmen soll die Regelung ebenfalls gelten.

Dem russischen Parlament (Duma) liegt ein neues Gesetzesprojekt vor: Deutsche Unternehmen, die mit den Nationalsozialisten Geschäfte gemacht haben und heute wieder in Russland tätig sind, sollen ihre Mittäterschaft nicht mehr verschweigen dürfen. Initiator des Gesetzes ist der Abgeordnete der Kremlpartei "Einiges Russland", Alexej Schurawlow. Der Parlamentarier will, dass russische Bürger umfassendere Informationen über Produktpalette und Vergangenheit der Hersteller erhalten. Genauere Kenntnisse würden viele seiner Landsleute davon abbringen, deutsche Waren zu kaufen, glaubt Schurawlow.

Bei Rundfunkwerbung müssen die Firmen demnach mindestens drei Sekunden lang auf die Vergangenheit eingehen. Bei Fernsehwerbung sind es fünf Sekunden. Dass das Projekt mit der Verlängerung der EU-Sanktionen gegen Russland zusammenfällt, dürfte gewollt sein. Für italienische und japanische Firmen soll die Regelung ebenfalls gelten. Die "Lex Faschismus" muss allerdings noch die Duma passieren.

Schurawlow geht es auch um die "Wiederherstellung der historischen Gerechtigkeit". In Russland ist die Annahme weit verbreitet, der Westen wolle der ehemaligen Sowjetunion den Sieg im Zweiten Weltkrieg nachträglich streitig machen. Schurawlow sitzt nicht nur für die Kremlpartei im Parlament, sondern steht auch noch der Partei Rodina (Heimat) vor. Dahinter verbirgt sich ein Sammelbecken strammer Rechtsausleger. Erst im März machte Schurawlow mit einem internationalen Konvent faschistischer Parteien in St. Petersburg auf sich und Rodina aufmerksam.

Beobachter fragen sich nun, wie der russische Präsident Wladimir Putin reagieren würde, wenn er demnächst im Dienst-Mercedes an großflächigen Plakaten mit der Aufschrift "Auch Daimler förderte den Faschismus" oder "Daimler hat auch deinen Großvater auf dem Gewissen" vorbeiführe. Dass Putin auf andere Auto-Modelle umsteigt, gilt als eher unwahrscheinlich - denn die russische Elite ist anspruchsvoll. Zudem müssten auch Volkswagen und BMW einen Offenbarungseid leisten. Russland bliebe nichts anderes übrig, als auf den Lada umzusteigen. Doch hinter den Modellen verbirgt sich auch nur die italienische Automarke Fiat. Da bliebe für viele nur noch die Bahn. Doch selbst Siemens fiele unter das Gesetz.

Der Leiter des nationalen Anti-Korruptions-Komitees, Kirill Kabanow, begrüßt die Initiative - allerdings nicht wegen der Vergangenheitsbewältigung. Kabanow stört vielmehr, dass die Firmen in jüngster Vergangenheit in Korruptionsskandale verwickelt gewesen sind.

(RP)
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