Russen-Atombomber vor Holland

Den Haag Aufregung in den Niederlanden: Zwei russische Atombomber von Typ Tupolew Tu-95 MS (Nato-Code "Bear") wurden über der Nordseeküste vor dem niederländischen Friesland abgefangen. Wie das niederländische Verteidigungsministerium gestern unserer Zeitung bestätigte, ist es bereits das dritte Mal in diesem Jahr, dass russische Militärflugzeuge in der niederländischen Luftraum-Überwachungszone von Abfangjägern gestellt wurden.

Die am Dienstag um 11.14 Uhr vom Fliegerhorst Volkel (nahe dem niederrheinischen Goch) gestarteten niederländischen F-16-Piloten waren beeindruckt von den zwei silbernen Riesen mit dem roten Stern auf dem Rumpf. Die Tupo-lews können bis zu 25 Tonnen Waffen tragen. "Sie waren sehr laut und verursachten heftige Wirbelschleppen." Die Niederländer flogen in 30 Meter Entfernung neben den Russen her und geleiteten sie über die Nordsee aus ihrem Bereich hinaus. Funkkontakt bestand nicht. Als die Tupolews abdrehten und auf Großbritannien zuflogen, wurden sie von Tornado-Jets der Royal Air Force übernommen.

Seit dem Kalten Krieg habe es solche Zwischenfälle über den Niederlanden nicht mehr gegeben, hieß es in Den Haag. "Die russische Luftwaffe hält sich nicht an internationale Vereinbarungen, dass sich ein Flugzeug anmelden und identifizieren muss", sagte der Ministeriumssprecher. Niederländisches Hoheitsgebiet sei indes nicht verletzt worden.

Die beiden Atombomber waren, begleitet durch norwegische Abfängjäger, zuvor offenbar vor der deutschen Nordseeküste unterwegs. Die Radarführung der Bundeswehr habe sie den Niederländern gemeldet. Die Nato geht davon aus, dass die Langstreckenbomber voll bewaffnet sind.

Seit 2007 hat die russische Luftwaffe ihre teils aggressiven Flüge im Bereich der Nato wiederaufgenommen und überquert angeblich auch regelmäßig Norwegen und Island. Im September 2009 war es vor Estland zu einem Zwischenfall mit deutscher Beteiligung gekommen: Zum Schutz des Baltikums eingesetzte deutsche "Eurofighter" stellten ein russisches Radar-Führungsflugzeug, daraufhin griffen überraschend Sukhoi-Kampfjets ein. Finnische Jäger kamen den Deutschen zur Hilfe – Schüsse fielen nicht.

Die Motive der russischen Militärführung sind indes unklar. Im Kalten Krieg testeten die Sowjets mit Scheinangriffen die Reaktionszeit der Nato-Flugabwehr. In Nato-Kreisen wird spekuliert, es handle sich jetzt um Machtdemonstrationen. Die Nato versucht, das Thema herunterzuspielen: Es sei "sehr schwierig, Landesgrenzen klar aus der Luft zu bestimmen". Drohe deren Verletzung durch fremde Flugzeuge, würden die Abfangjäger vorsichtshalber "Flagge zeigen".

(RP)
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