Schwerpunkt Plagiatsvorwürfe Rückendeckung für Schavan

Immer mehr Prominente aus Wissenschaft, Politik und Kirchen unterstützen die angeschlagene Bildungsministerin. Sie steht im Verdacht, bei ihrer Doktorarbeit getäuscht zu haben. Unionsfraktionschef Kauder fordert ein neues Prüfverfahren. Die Uni Düsseldorf will bei ihrem Vorgehen bleiben.

Berlin/Düsseldorf Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) ist gestern zu einer zweitägigen Reise nach Israel aufgebrochen. In ihrer Heimat tobt derweil der Kampf um die Frage, ob sie bei ihrer Promotion vor 32 Jahren getäuscht und plagiiert hat. In der öffentlichen Debatte ist nun auch die Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf unter Druck geraten. Die Veröffentlichung des vernichtenden Gutachtens über Schavans Dissertation, bevor die Betroffene selbst davon erfahren oder dazu gehört worden ist, hat eine Welle der Solidarität in Wissenschaft, Politik und Kirchen für Schavan ausgelöst.

Auch die Universität Düsseldorf geht in die Offensive: Die Hochschulleitung erstattete gestern Strafanzeige gegen Unbekannt. Das Gutachten sei möglicherweise "unter Bruch der Vertraulichkeit an die Öffentlichkeit gelangt", heißt es in einer Mitteilung der Hochschule. "So dies geschehen ist, wäre dieser Vorfall in mehrfacher Hinsicht verletzend", schreiben die Düsseldorfer. Dies betreffe Schavan, "die sich insbesondere aufgrund ihrer exponierten gesellschaftlichen Stellung vermehrter Aufmerksamkeit ausgesetzt" sehe. Die Universität versichert in ihrer Mitteilung auch, sie werde das Verfahren an sich "ordentlich und mit aller notwendigen Sorgfalt" weiterführen.

Die Stimmung hinter den Kulissen ist nach Informationen unserer Zeitung aber eine andere. Vielmehr will die Heine-Universität offenbar das Verfahren gegen Schavan möglichst rasch abschließen. An der Universität verdichteten sich gestern Hinweise darauf, dass Schavan ihren Doktortitel verlieren wird und sie damit auch ihr Amt als Bildungsministerin niederlegen muss.

In Universitätskreisen war zunächst auch erwogen worden, dass man sich bei der Bildungsministerin für die Indiskretion entschuldigen könne. Dies wurde aber offenbar wieder verworfen. Die Haltung ist nun vielmehr: Wir haben uns nichts vorzuwerfen, Indiskretionen können immer passieren, wir werden das ahnden.

Formal befasst sich der Promotionsausschuss heute mit dem Gutachten des Prodekans Stefan Rohrbacher. Dieser hatte zur Vorbereitung der Sitzung sein brisantes Gutachten in der vergangenen Woche nach Informationen unserer Zeitung an die Mitglieder des Promotionsausschusses und deren Stellvertreter geschickt. Damit hatten offenbar mindestens 14 Menschen Zugriff auf das Schriftstück. Am Samstag berichtete dann der "Spiegel" darüber. In der Sitzung heute wird erstmals über das Gutachten gesprochen werden. Es wird damit gerechnet, dass die Ministerin anschließend vom Dekan um eine Stellungnahme gebeten wird.

Schavan wird daraufhin voraussichtlich eine schriftliche Erklärung abgeben. Darüber wird die Kommission erneut beraten und auch entscheiden, ob ein zweiter Gutachter beauftragt werden soll. Dies gilt allerdings als unwahrscheinlich. Vielmehr gibt es Hinweise, dass die Kommission dem Fakultätsrat empfehlen wird, Schavan den Doktortitel abzuerkennen. Das letzte Wort hat der Fakultätsrat, der regulär am 6. November wieder zusammenkommt.

Die Empörung von Wissenschaftlern, Kirchenleuten und Parteifreunden bezieht sich vor allem auf die Vorab-Veröffentlichung des Gutachtens. Es gibt aber auch Kritik am Gutachten selbst. Schavans Parteifreund, Unionsfraktionschef Volker Kauder, sprach sich dafür aus, mit neuen Gutachtern ein neues Prüfverfahren vorzunehmen. "Ich glaube, dass dieses Verfahren nicht in dieser Form zu Ende gebracht werden kann", sagte Kauder. Der Präsident der Humboldt-Stiftung, Helmut Schwarz, kritisierte die Düsseldorfer Universität. "Es gab schwere Fehler in dem Verfahren — die Universität sollte nun eine zweite Person bitten, die Vorwürfe sachlich zu prüfen", sagte Schwarz der "Süddeutschen Zeitung".

Die Kirchen sehen die bekennende Katholikin Schavan vor allem persönlich desavouiert. "Wenn der Ruf eines Menschen auf eine solche Weise beschädigt wird, finde ich das absolut unwürdig", erklärte der frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Wolfgang Huber. Der kulturpolitische Sprecher des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Thomas Sternberg, äußerte den Verdacht, es gehe allein darum, mit dem Prüfverfahren missliebige Politiker oder deren Unterstützer in den Ruch unseriöser Arbeit zu rücken. Sternberg ist auch Landtagsabgeordneter für die CDU in Düsseldorf.

Die Täuschungsvorwürfe gegen Schavan hatte zuerst ein anonymer Plagiatsjäger im Internet erhoben. Schavan, die von ihrer Unschuld überzeugt ist, hatte daraufhin die Universität Düsseldorf gebeten, ihre Dissertation zu prüfen.

Rückendeckung erhielt die Uni vom NRW-Wissenschaftsministerium, das als Rechtsaufsichtsbehörde der Hochschule offenbar keine Bedenken gegen das Vorgehen der Universität hat. "Die Universität ist Herrin des Verfahrens, und es gibt im Moment keinen Grund anzunehmen, dass sie das nicht im Griff hat", erklärte eine Sprecherin.

Internet Annette Schavan im Porträt: www.rp-online.de/politik

(qua)
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