Zwei Wahlen im Jahr 2000 Rot-grün auf dem Prüfstand in Kiel und Düsseldorf

Hamburg (dpa). Das politische Berlin blickt im Jahr 2000 nach Kiel und Düsseldorf: Bei den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein (27. Februar) und Nordrhein-Westfalen (14. Mai) steht auch die rot- grüne Bundesregierung auf dem Prüfstand. In beiden Ländern regieren die Sozialdemokraten mit den Grünen. Vor allem ein Sturz von Rot-Grün im bevölkerungsreichsten Bundesland NRW könnte - nach den dramatischen Wahlschlappen von SPD und Grünen 1999 - die Regierung von Gerhard Schröder und Joschka Fischer gefährden.

Ansonsten herrscht im Jahr 2000 Wahlruhe in Deutschland. Im Marathon-Wahljahr 1999 hatte es sieben Entscheidungen über Landtage, neun auf kommunaler Ebene und die Europawahl gegeben.

Simonis contra Rühe: Schleswig-Holstein als Politbarometer

Kiel - Kann Ministerpräsidentin Heide Simonis das Ruder für die SPD wieder herumreißen oder steuert Herausforderer Volker Rühe das CDU-Schiff auf Erfolgskurs 2000? Schleswig-Holstein steht zu Beginn des neuen Jahres so stark im Blickpunkt wie seit dem spektakulären Rücktritt Björn Engholms als Regierungschef und SPD- Vorsitzender vor sechseinhalb Jahren nicht mehr. Im Norden wird am 27. Februar nach den rot-grünen Wahlschlappen von 1999 das politische Stimmungsbarometer für ganz Deutschland neu abgelesen.

Bei der Landtagswahl 1996 hatte die SPD 39,8 Prozent der Stimmen erreicht. Die CDU kam auf 37,2 Prozent, Grüne auf 8,1 Prozent und die FDP auf 5,7 Prozent.

Bislang signalisieren die Umfragen einen Vorsprung für die Christdemokraten, der vor allem mit Rühe verbunden ist. Doch die Spendenaffäre der CDU und das verbesserte Erscheinungsbild der Bundes-SPD setzten inzwischen neue Akzente. Nicht zuletzt geht es bei der Wahl darum, ob sich Simonis (56) oder der immer mal wieder auch als möglicher Kanzlerkandidat ins Spiel gebrachte Rühe (57) auf einen Bruch in der politischen Karriere einstellen muss.

Mit der CDU-Spendenaffäre bläst dem Ex-Verteidigungsminister erstmals seit seinem Antritt als Kandidat für das Ministerpräsidentenamt vor elf Monaten Gegenwind ins Gesicht. Simonis hat dagegen das Problem, den Nordlichtern zu erklären, weshalb sie auch nach zwölf Jahren SPD- und Rot/Grün-Regierungen nicht auf Wechsel setzen sollen. Die seit 1996 trotz mancher Querelen und weniger Krisen letztlich stabile Koalition hat das nördlichste Bundesland weder in ein "Indianerreservat" verwandelt noch in reformbegeisterte Aufbruchstimmung versetzt.

Hinter der Wahl verblassen alle Einzelprobleme, zumal herausragende Entscheidungen etwa über brisante Infrastrukturprojekte nicht anstehen. Die zugespitzte Haushaltslage erdrückt ohnehin alles: Der Schuldenberg wächst, für Zukunftsinvestitionen und politisches Gestalten ist kaum Geld da. Besonders Lehrer, Eltern von Schulkindern, Beamte, Landwirte und Gegner des Nationalparks Wattenmeer gehören zu jenen, bei denen die Regierung am meisten Ärger ausgelöst hat. Auf dem Arbeitsmarkt ist dagegen die jüngste Tendenz gut, auch wenn der Norden mit 8,9 Prozent Arbeitslosen noch über dem Durchschnitt der alten Länder liegt (8,3).

NRW-Wahl: Clement will Aufholjagd starten

Düsseldorf - Selten wurde einer nordrhein-westfälischen Landtagswahl eine solche Bedeutung zugemessen, wie dem Urnengang am 14. Mai. Nach Ansicht vieler Beobachter entscheiden die rund 13 Millionen Wähler nicht nur über die künftige Regierung am Rhein, sondern auch über die Zukunft der Bundesregierung.

Bei der Landtagswahl 1995 hatte die SPD 46,0 Prozent der Stimmen auf sich vereint. Die CDU erreichte 37,7 Prozent, die Grünen 10,0 Prozent, die FDP 4,0 Prozent.

Seit Ministerpräsident Wolfgang Clement (SPD) vor eineinhalb Jahren das Zepter von seinem Vorgänger Johannes Rau übernommen hat, musste die SPD zahlreiche Nackenschläge wegstecken. Clement handelte sich mit der Zusammenlegung von Justiz- und Innenministerium eine schallende Ohrfeige der Verfassungsrichter des Landes ein und musste die Fusion rückgängig machen.

Eine Reihe lokaler Filzskandale verstärkten den von der Bundesregierung losgetretenen Negativtrend so stark, dass die SPD bei der Kommunalwahl auf 33,9 Prozent abstürzte. Das sozialdemokratische Stammland NRW ist seitdem auf kommunaler Ebene schwarz gefärbt. Selbst in Ruhrgebietsstädten wie Essen und Gelsenkirchen regieren jetzt CDU-Oberbürgermeister.

Nach dem erfolgreichen Bundesparteitag rechnet Clement aber fest mit der Rückkehr des "Genossen Trend" zur Sozialdemokratie. "Wir haben uns gefangen", verkündet der neu gewählte Bundes-Vize der SPD. Selbstbewusst hat er die Rückgewinnung der vor fünf Jahren verlorenen absoluten Mehrheit als Wahlziel ausgegeben. Doch dazu muss die SPD eine schnelle Aufholjagd starten. In der jüngsten Meinungsumfrage liegt die SPD mit 39 Prozent sieben Prozentpunkte hinter der CDU. Allerdings sind noch 35 Prozent der Wähler unentschieden. Hinzu kommt der Wirbel um Politiker-Flüge mit der Westdeutschen Landesbank und ein Ermittlungsverfahren gegen Finanzminister Heinz Schleußer (SPD).

Clement setzt auf die sich bessernden Daten vom Arbeitsmarkt. "Wir können ein Job-Wunder schaffen", verspricht er. Helfen sollen dabei vor allem die kleinen und mittleren Unternehmen, denen er sein besonderes Augenmerk schenkt.

Die FDP hofft mit ihrem Spitzenmann Jürgen Möllemann endlich wieder zum Zünglein an der Waage zu werden. Beiden großen Parteien hat Möllemann indirekt eine Koalition angeboten, doch die Umworbenen zeigen sich bislang spröde.

(RPO Archiv)
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