Romney setzt auf Condoleezza Rice

Tampa · Beim Krönungsparteitag in Tampa (Florida) sitzt die Außenministerin der Ära George W. Bush direkt neben dem Spitzenkandidaten der Republikaner. Ihr Schritt zurück ins Rampenlicht verrät viel darüber, wie die außenpolitische Linie der USA unter einem Präsidenten Romney ausfallen könnte.

Condoleezza Rice ist wieder da. Nach Barack Obamas Wahlsieg war sie so gut wie in der Versenkung verschwunden, aus dem Außenministerium zurückgekehrt an die Universität Stanford, wo man eine Weile heftig gestritten hatte, ob eine derart prominente Figur der Administration George W. Bushs überhaupt eine zweite Chance bekommen sollte. Im Silicon Valley lehrte sie Politikwissenschaften, während ihre Stimme auf der nationalen Debattenbühne praktisch verstummte. Das ändert sich gerade: Die 57-Jährige feiert ein Comeback, das sie zum zweiten Mal in die Chefetage des Außenamts führen könnte — falls Mitt Romney die Wahl gewinnt.

Auf dem Parteikongress, der Romney in der Nacht zu gestern als Bewerber fürs Oval Office kürte, hat Rice einen Ehrenplatz sicher, ein auffälliges Detail der Konferenzoptik. Auf der Tribüne sitzt sie neben dem Spitzenmann, und ihre Rede darf sie abends zur besten Sendezeit halten. Zum einen liegt es an der Achillesferse der Konservativen: Bei Wählerinnen liegt der lebensfern und steif wirkende Geschäftsmann in den Umfragen klar hinter Obama, weshalb er nun Frauen ins Rampenlicht schiebt, seine Gattin Ann, aber eben auch Condi Rice, die erste afroamerikanische Außenministerin der US-Geschichte. Zum anderen bildet die flexible Gelehrte so etwas wie eine Klammer, die zwei Denkschulen im Beraterteam Romneys zusammenhält.

Einstweilen bleibt offen, wer sich durchsetzen wird. Realpolitiker vom Schlag Henry Kissingers gehören der Riege ebenso an wie führende Neokonservative, die 2003 mit dem Einmarsch in den Irak den ganzen Nahen Osten umzustülpen gedachten. Die einen betonen die Risiken von Interventionen, etwa im Falle Syriens, die anderen fordern amerikanische Führungsstärke, sprich: ein Eingreifen an Brandherden.

Prominentester Neokonservativer der Mannschaft ist John Bolton, der polternde UN-Botschafter George W. Bushs, der einmal in abfälligem Ton verkündete, es mache nicht den geringsten Unterschied, sollten dem New Yorker Hauptgebäude der Vereinten Nationen zehn Stockwerke fehlen. Ihm folgt der Historiker Robert Kagan, bekannt geworden durch die These, dass Amerikaner vom Mars kommen und Europäer von der Venus und einander einfach nicht verstehen. 1997 war er Mitbegründer des "Project for the New American Century", das dem Weißen Haus empfahl, aggressiver gegen Staaten vorzugehen, deren Politik Amerikas Interessen und Werten zuwiderläuft. In einem im Februar erschienenen Buch ("The World America Made") schreibt Kagan, alle wichtigen Kennzeichen der modernen Welt — Wohlstand, der Vormarsch der Demokratie, Friede zwischen den großen Mächten — beruhten auf der Führungsrolle der USA.

Auch Romney spricht oft vom zweiten amerikanischen Jahrhundert, zu dem — nach dem 20. — auch das 21. werden solle. Stabil vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts will er fürs Militär ausgeben; das wäre in der nächsten Dekade ein Plus von rund zwei Billionen Dollar, vergleicht man es mit Obamas heutigen Budgetansätzen. Nach seinem Credo muss der Iran mit allen Mitteln am Bau einer Atombombe gehindert werden, eine Position, die auch Obama vertritt. Was Romney markant von seinem Rivalen unterscheidet, sind überaus scharfe Worte an die Adresse Pekings und Moskaus. China will er schon am ersten Amtstag als "illegalen Währungsmanipulator" an den Pranger stellen. Russland bleibt nach seinen Worten der Hauptgegner der USA.

Was sich an Substanz hinter Romneys Polemik verbirgt, bleibt vorerst im Vagen. Personell setzt der Mann, der als Gouverneur in Massachusetts ausgesprochen pragmatisch regierte, durchaus auch Zeichen der Mäßigung. Anfang August berief er Robert Zoellick an die Spitze seines Außenpolitik-Stabs, einen alten Hasen, der bereits nach dem Berliner Mauerfall für sein Land die Zwei-plus-Vier-Gespräche über die Zukunft Deutschlands führte und von 2007 bis 2012 die Weltbank leitete. Zoellick gilt als Musterschüler James Bakers, der rechten Hand des alten George Bush, eines nüchternen Managers mit ausgeprägter Abneigung gegen Abenteuer in Übersee. Von ihm stammt der Satz, wonach sich das aufstrebende China zu einem verantwortungsbewussten Miteigner des internationalen Systems entwickeln müsse. Der junge Bush, George W., machte ihn zum Vize-Außenminister, im Januar 2005, als der hurrapatriotische Überschwang des Alleingangs im Irak tiefer Ernüchterung gewichen war. Zoellicks damalige Chefin: Condoleezza Rice.

(RP)
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