Düsseldorf Romney: Fettnapf oder Kalkül?

Düsseldorf · Der 6. November kann für Mitt Romney, den aussichtsreichen Herausforderer von US-Präsident Barack Obama, der größte Tag seiner Karriere werden. Die zurückliegenden Tage in Britannien, Israel und Polen waren es nicht. Romneys einwöchige Auslandsreise war zwar keine diplomatische Großkatastrophe, aber die dichte Reihe merkwürdiger bis grob unhöflicher öffentlicher Äußerungen, die der Präsidentschaftskandidat der Republikanischen Partei von sich gab, provozierten Spott und scharfe Widerworte in London, Danzig oder bei den Palästinensern. Kopfschütteln über Romneys Schnitzer war noch die vornehmste Form der Unmutsäußerungen.

Das Wappentier der US-Republikaner ist der Elefant. Nicht nur peinlich berührte Beobachter von "New York Times" und "Washington Post" dürften Assoziationen von dem Rüsseltier im Porzellanladen gehabt haben. Zur Erinnerung: Zum Reiseauftakt bezweifelte Romney, dass die Briten gewappnet seien, die Spiele sicher über die Weltbühne zu bringen. Auch die Bereitschaft der Londoner, sich für Olympia zu begeistern, stellte der Gast infrage. Britanniens Premier David Cameron reagierte im Stile des hochmütigen Eton-Boys, Spiele in einer Weltmetropole seien eben etwas anderes als "Spiele mitten im Nirgendwo". Mit "Nirgendwo" war das triste Salt Lake City gemeint, Hauptstadt des menschenleeren US-Bundestaates Utah, wo Romney die Winterspiele 2002 gut organisiert hatte.

Trat der Amerikaner in London noch in den Fettnapf, dürften dessen antirussische Aussagen in Polen und seine pro-israelischen beziehungsweise anti-palästinensischen Stellungnahmen in Jerusalem kühl berechnete Manöver für den Stimmenfang daheim gewesen sein. Den Polen zu gefallen, indem man dessen beargwöhnten Nachbarn Russland zum geopolitischen Gegner Nummer eins der USA stempelt, das sollte die stattliche Schar polnischstämmiger Amerikaner in wahlentscheidenden US-Staaten wie Michigan beeindrucken. Das Umschmeicheln Israels (Bezeichnung Jerusalems als Israels Hauptstadt) und zugleich Herabsetzen der Palästinenser als ökonomisch-kulturell Unterlegene zielten auf die starke jüdische Lobby im Osten der USA.

(RP)
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