Der Deutsche Richterbund warnt Eine Welle von Dieselklagen könnte deutsche Gerichte überlasten

Berlin · Der Europäische Gerichtshof hat Klagen wegen unzulässiger Abgastechnik in Dieselautos erleichtert. Der Deutsche Richterbund (DRB) schlägt daher Alarm: Schon jetzt sei die deutsche Justiz an der Belastungsgrenze. Die Union macht Druck auf den zuständigen Minister.

 Für enttäuschte Kunden könnte es eine Kehrtwende bedeuten: Der Europäische Gerichtshof hat die Hürden für Dieselklagen gesenkt.

Für enttäuschte Kunden könnte es eine Kehrtwende bedeuten: Der Europäische Gerichtshof hat die Hürden für Dieselklagen gesenkt.

Foto: dpa/Julian Stratenschulte

Der Deutsche Richterbund (DRB) rechnet im Abgasskandal mit einer neuen Klagewelle. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschied jüngst, dass Autobauer auch dann haften, wenn sie ohne Betrugsabsicht fahrlässig gehandelt haben. So urteilten die Luxemburger Richter in einem Fall, bei dem es um ein Mercedes-Modell ging, das standardmäßig mit sogenannten Thermofenstern ausgestattet war. Die Fenster sorgen dafür, dass die Abgasreinigung bei kühleren Temperaturen schlechter oder gar nicht arbeitet. Die Einschätzung der Europäischen Richter könnte nun Auswirkungen auf die deutsche Rechtsprechung haben. Denn beim Bundesgerichtshof (BGH) hatten Kläger bisher nur dann eine Chance auf Schadensersatz, wenn sie vom Hersteller bewusst und gewollt auf sittenwidrige Weise getäuscht wurden.

„Auf Dieselfälle spezialisierte Anwaltskanzleien werben bereits offensiv um neue Mandate, sodass die Fallzahlen vieler Gerichte weiter deutlich steigen dürften“, sagt DRB-Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn. Wie groß die neue Klagewelle sein wird, hänge auch vom Bundesgerichtshof ab, der die europäischen Vorgaben demnächst weiter konkretisieren wird. Die Oberlandesgerichte und viele Landgerichte sind durch Dieselklagen aber schon heute stark beansprucht. Mehr als 28.500 Verfahren haben allein die 24 Oberlandesgerichte 2022 verzeichnet. „Viele Zivilgerichte geraten durch Massenverfahren an die Belastungsgrenze. Die Ampel sollte hier dringend Abhilfe schaffen“, so Rebehn.

Die Einschätzung teilt auch Günter Krings, rechtspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. „Die deutsche Justiz leidet aufgrund von Massenverfahren unter massiver Überlastung. Es besteht dringender Handlungsbedarf“, so der Unionspolitiker. Wichtig sei eine möglichst frühe höchstrichterliche Klärung. „Durch Pilotverfahren könnten die Untergerichte früh die Auffassung der Obergerichte zu einer bestimmten Rechtsfrage erfahren und dann entsprechend handeln“, so Krings.

Das Bundesjustizministerium erklärt auf Anfrage, dass man die Herausforderung durch Massenverfahren ernst nehmen würde. „Die Ursachen des Problems sind allerdings vielschichtig und bedürfen daher differenzierter Lösungen“, so ein Sprecher. Eine Entlastung soll die Umsetzung der EU-Verbandsklagen-Richtlinie bringen. Verbände können künftig Verbraucheransprüche gegen Unternehmen mit Abhilfeklagen gerichtlich durchsetzen. Zudem arbeitet das Ministerium an einem zivilgerichtlichen Online-Verfahren, auch für Massenklagen.

Der DRB fordert, mit frühzeitigen Leitentscheidungen Massenverfahren zügiger zu erledigen. Durch die Einführung einer Verbandsklage werde sich das Problem jedoch kaum lösen lassen. „Das vorgesehene mehrstufige Verfahren bis zur Verteilung der Gelder durch einen Sachwalter ist schwerfällig und dürfte dazu führen, dass jedenfalls rechtsschutzversicherte Kläger weiterhin eine Individualklage bevorzugen werden“, so Rebehn.

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