Rentner müssen arbeiten

Immer mehr Menschen über 65 Jahre gehen neben ihrer Rente einer bezahlten Tätigkeit nach. Die Altersarmut steigt in Deutschland langsam.

Berlin Sie arbeiten als Parkplatzwächter, sitzen im Supermarkt an der Kasse oder gehen putzen. Die Zahl der Rentner in Deutschland, die mit einem Nebenjob Geld verdienen, ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen.

Von den 65- bis 74-Jährigen haben rund 660 000 Bürger eine geringfügige Beschäftigung oder einen Mini-Job. Das entspricht 6,6 Prozent der Bevölkerung in dieser Altersgruppe. In den vergangenen zehn Jahren ist die Zahl deutlich ge-stiegen, wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken hervorgeht. Im Jahr 2000 waren nur 416 000 Ruheständler in dieser Altersgruppe erwerbstätig.

Der Chef der Senioren Union, Otto Wulff, führt die Jobsuche der Rentner nicht nur auf eine gestiegene Altersarmut zurück. "Von den Rentnern, die erwerbstätig sind, wird mit Sicherheit ein größerer Teil das Einkommen auch nötig haben", sagte Wulff unserer Zeitung. "Viele Rentner fühlen sich aber einfach noch rüstig und arbeiten nicht nur wegen des Verdienstes, sondern sind auch froh, noch eine Arbeit verrichten zu können und nützlich zu sein", sagte Wulff. Er verwies darauf, dass jeder dritte Ruheständler einem Ehrenamt nachgehe, was ebenfalls die Aktivität dieser Generation belege.

Aus Sicht der Bundesregierung ist der Zuwachs bei den jobbenden Rentnern "nicht so gravierend", wie eine Ministeriumssprecherin betonte. Schließlich sei in dem Zeitraum zwischen 2000 und 2010 auch die Zahl der Rentner um zwei Millionen gestiegen. Damit hat die Zahl der Rentner um etwa zehn Prozent zugenommen, während die Zahl der arbeitenden Ruheständler um fast 57 Prozent gestiegen ist.

Die Regierung bewertet die gestiegenen Zahlen positiv: "Mit Minijobs wurden gezielt Möglichkeiten geschaffen, sich auch als Senior etwas hinzuzuverdienen", betonte die Sprecherin. Ab 65 Jahre könne man unbegrenzt hinzuverdienen. Die stärkere Erwerbsorientierung fußt aus Sicht der Regierung auf der gestiegenen Lebenserwartung. "Die Wahrnehmung von Arbeit als Last und möglichst früh zu beendendes Schicksal rückt zunehmend in den Hintergrund", betonte die Sprecherin.

Die Altersarmut in Deutschland ist derzeit noch gering. Nur zwei Prozent der Rentner hierzulande erhalten eine staatliche Grundsicherung. Auch bei der Armutsgefährdung stehen die Älteren derzeit besser da als die Jüngeren. Ihre Quote liegt derzeit bei elf Prozent, bei den Jüngeren beträgt sie nach Angaben des Kölner Wirtschaftsforschungsinstituts IW 14 Prozent.

Allerdings steigt die Zahl der armen Alten langsam an. Die Sozialverbände fürchten, dass die Altersarmut in den nächsten zehn bis 20 Jahren deutlich zunimmt. In dieser Zeit wachsen immer mehr Menschen ins Rentenalter hinein, die auch Phasen von Arbeitslosigkeit, geringfügiger Beschäftigung oder schlecht abgesicherter Selbstständigkeit in ihrer Erwerbsbiographie haben, insbesondere im Osten. Solche Phasen mindern die Rente ebenso wie schlecht bezahlte Arbeit.

Zur Vorbeugung gegen Altersarmut will die Bundesregierung im September einen Rentendialog starten, an dem sich nicht nur die Regierungsparteien, sondern auch gesellschaftliche Gruppen wie Arbeitgeber, Gewerkschaften, Sozialverbände und Wissenschaftler beteiligen sollen. Ursprünglich sollte eine Rentenkommission der Regierung eingesetzt werden. Allerdings hatte es im Vorfeld viel Verärgerung der gesellschaftlichen Gruppen gegeben, dass sie an einer möglichen Rentenreform nicht oder zu spät beteiligt werden sollten. Schließlich lenkte Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) ein und will nun den breit angelegten Dialog starten.

Ziel ist es, dass Menschen, die ein Leben lang fleißig waren, im Ruhestand besser da -stehen, als jene, die kaum oder gar nicht gearbeitet haben. Grundsätzlich könnte dieses Problem über die Einführung einer Mindestrente gelöst werden. Eine Mindestrente gab es bis 1992 in Deutschland. Die Mindestrente bedeutet, dass niedrige Einkommen für die Berechnung der Rente höher bewertet werden. Durch diesen Mechanismus steigt das Alterseinkommen von Geringverdienern.

Ein großer Verfechter der Rente nach Mindesteinkommen ist der Chef der CDU-Arbeitnehmerorganisation, Karl-Josef Laumann, der auch Fraktionschef im Düsseldorfer Landtag ist. Auch SPD, Grüne und Linke haben Sympathie für das Modell. Arbeitsministerin von der Leyen, die ebenfalls CDA-Mitglied ist, bekennt sich allerdings bislang nicht zur Mindestrente. Dies sei für die Bundesregierung derzeit "kein Thema", beschied eine Sprecherin gestern. Die Mindestrente war 1992 mit dem Argument abgeschafft worden, dass es keinen Niedriglohnsektor mehr gebe. Aus Sicht der Befürworter des Modells ist der Niedriglohnsektor aber längst wieder Realität in Deutschland. In NRW hätten 25 Prozent der Erwerbstätigen einen Lohn von unter acht Euro, argumentiert Laumann. Im Zuge des Rentendialogs soll nicht nur diskutiert werden, wie Geringverdiener und Menschen mit unsteter Erwerbsbiographie eine auskömmliche Rente erhalten können. Zur Gruppe der "Fleißigen" zählt die CDU auch Frauen und Männer, die Kinder erzogen und Alte gepflegt haben. Auch ihnen sollen mehr Hilfen gegeben werden, Altersarmut zu vermeiden. Mit einer Ausweitung der Anrechnung von Kindererziehungszeiten ist aber nicht zu rechnen.

(RP)
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