Analyse um Frauenquote und Co. Regierung plant eigenen Gleichstellungsindex

Berlin · Der Frauenanteil in Vorständen börsennotierter Unternehmen liegt bei nur sechs Prozent. Auch beim Bund sind Frauen in Chefpositionen unterrepräsentiert. Ein neuer Gleichstellungsindex soll bei der Frauenförderung helfen.

Frauenquote in Chefetagen - So weit hinkt Deutschland hinterher
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Foto: dpa

Sabine Lautenschläger fährt gern Motorrad in der Eifel und im Bergischen Land — als Sozia ihres Mannes. Doch wenn es ums Berufliche geht, sitzt die 49-Jährige lieber selbst auf dem Fahrersitz. Und wie! Die Juristin aus Stuttgart hat einen atemberaubenden beruflichen Aufstieg hinter sich, der im Januar mit der Berufung in das Direktorium der Europäischen Zentralbank (EZB) seinen vorläufigen Höhepunkt gefunden hat. Lautenschläger ist in der EZB-Spitze verantwortlich für die Bankenaufsicht, sie kontrolliert das Gebaren der größten europäischen Geldhäuser. An ihr kommt, was die Aufsicht über das Geldgeschäft angeht, in Europa nur noch eine Person vorbei: die 63-jährige Französin Danièle Nouy, die seit Jahresbeginn Chefin der europäischen Bankenaufsicht ist. Lautenschläger ist ihre Vize.

Zwei Frauen an der Spitze einer so mächtigen Organisation — so etwas gibt es sonst nirgendwo. Frauen sind auf den Führungsposten öffentlicher Einrichtungen wie der EZB und in der Wirtschaft generell weiterhin deutlich unterrepräsentiert. Ihr Anteil in den Vorständen der börsennotierten deutschen Unternehmen war im vergangenen Jahr sogar wieder rückläufig, nachdem sich der Siemens-Konzern von seinen Vorstandsfrauen Barbara Kux und Brigitte Ederer getrennt hatte. In den 30 Dax-Unternehmen sank der Frauenanteil von geringen 7,8 auf noch mickrigere 6,3 Prozent in 2013, wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) unlängst bekannt gab.

Noch kleiner ist der Frauenanteil, wenn auch die Unternehmen im MDax, SDax und TecDax einbezogen werden. Dann liegt der Frauenanteil in den Vorständen bei nur 6,1 Prozent, wie die Organisation "Frauen in die Aufsichtsräte" (Fidar) im Auftrag des Bundesfamilienministeriums Ende 2013 errechnet hat. In den Aufsichtsräten verzeichnete Fidar dagegen immerhin einen Anstieg des Frauenanteils von zehn Prozent Anfang 2011 auf 17,2 Prozent Ende 2013.

Bis Ende März sollen die Eckpunkte stehen

Die große Koalition in Berlin will der bisher erfolglosen Gleichstellungspolitik nun endlich mehr Schub verleihen. "Aufsichtsräte von voll mitbestimmungspflichtigen und börsennotierten Unternehmen, die ab dem Jahr 2016 neu besetzt werden, sollen eine Geschlechterquote von mindestens 30 Prozent aufweisen", wurde auf Drängen der SPD in der Koalitionsvereinbarung festgelegt. Ab 2015 sollen zudem "börsennotierte oder mitbestimmungspflichtige Unternehmen gesetzlich verpflichtet werden, verbindliche Zielgrößen für die Erhöhung des Frauenanteils im Aufsichtsrat, Vorstand und in den obersten Management-Ebenen und Fristen für deren Erreichen festzulegen, zu veröffentlichen und hierüber transparent zu berichten", heißt es weiter.

Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) werde nun bis Ende März Eckpunkte für ihr Gesetzesvorhaben zu Frauen in Führungspositionen vorlegen, kündigte ein Sprecher Schwesigs an. Das Gesetz solle "im Laufe des Jahres 2015 in Kraft treten". Der Frauen-Organisation Fidar gehen die Pläne allerdings längst nicht weit genug: Voll mitbestimmungspflichtig und börsennotiert seien allenfalls 120 Unternehmen. Nur dort werde die Frauenquote ab 2016 gelten, kritisierte Monika Schulz-Strelow, die Fidar-Präsidentin. Die gesetzlichen Zielvorgaben ab 2015 beträfen immerhin bis zu 2500 Firmen.

Neu eingeführt werden soll auch ein "Gleichstellungsindex". Darin wird der Bund für seine Behörden und Unternehmen voraussichtlich einmal im Jahr über die Erfüllung bestimmter Gleichstellungsziele berichten. "Die Bundesregierung wird den Gleichstellungsindex entwickeln", heißt es in einer Antwort der Regierung auf eine Anfrage der Grünen-Fraktion, die unserer Redaktion vorliegt. "Im Gleichstellungsindex werden wesentliche Kriterien zum Frauenanteil an den Beschäftigten, an Führungspositionen, an Einstellungen, Beförderungen, Höhergruppierungen, Höherreihungen und Spitzenbeurteilungen zusammengefasst", schreibt Finanz-Staatssekretär Steffen Kampeter.

Auch beim Bund gibt es Nachholbedarf

Dass es auch beim Bund mit der Gleichstellung von Frauen nicht weit her ist, zeigt ein Blick in seinen neuen Beteiligungsbericht: Demnach hatten 2012 in den 702 Bundesbehörden und Unternehmen mit Bundesbeteiligung nur 133 Frauen Aufsichtsrats- oder Beiratsposten inne. Das waren weniger als 20 Prozent aller Kontroll-Posten. "Es ist unbedingt notwendig, dass der Bund einen eigenen Gleichstellungsindex entwickelt. Das macht das Berufungs- und Beförderungshandeln des Bundes transparenter", sagte Schulz-Strelow.

2014 müssten 93 Posten in den Kontrollorganen der Bundesbehörden und -unternehmen neu besetzt werden, heißt es in der Antwort. Die Regierung sei bemüht, "die Teilhabe von Frauen an Gremien im Einflussbereich des Bundes" zu verbessern. Immerhin sei es gelungen, in der letzten Wahlperiode Elke König als Präsidentin Finanzdienstleistungsaufsicht Bafin durchzusetzen. "Ähnliche Bemühungen finden aktuell bei der Nachbesetzung des Postens der Bundesbank-Vizepräsidentin statt", schreibt Kampeter.

Gegen die vom Finanzministerium favorisierte Claudia Buch, Mitglied im Rat der Wirtschaftsweisen, sträubt sich aber die SPD-Spitze, die den ihr näherstehenden Vorstand Joachim Nagel befördern will. Schwesig setzt sich dafür ein, dass Buch den Posten bekommt. "Die Bundesregierung muss mit gutem Beispiel vorangehen und den Anteil von Frauen in Bundesgremien erhöhen. Deshalb erwarte ich, dass die Position der Vize-Präsidentin der Bundesbank wieder mit einer Frau besetzt wird", sagte sie.

Aus Sicht der Grünen-Politikerin Kerstin Andreae entscheidet sich schon 2014, ob die Koalition ihre Versprechen einhält. "Wir werden genau hinschauen, ob dabei verstärkt Frauen zum Zuge kommen — oder ob die im Koalitionsvertrag angekündigte höhere Frauenbeteiligung ein reines Lippenbekenntnis bleibt", sagt Andreae.

(mar)
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