BKA-Statistik Regierung nennt antisemitische Straftaten „beschämend“

Berlin · Die Zahl politisch motivierter Straftaten ist erneut leicht gesunken, doch 36.062 stellen immer noch den dritthöchsten Wert seit Einführung der Statistik dar.

Um fast ein Fünftel auf 1799 ist die Zahl antisemitischer Straftaten im vergangenen Jahr gewachsen. Diese Entwicklung müsse die Politik „verdammt ernst nehmen“, sagte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) bei der Vorstellung der jüngsten Jahresstatistik zur politisch motivierten Kriminalität in Deutschland. Die ist zwar erneut leicht gesunken. Die Zahl von 36.092 Straftaten, die aus politischen Motiven heraus begangen wurden, ist jedoch immer noch die dritthöchste seit Beginn dieser Zählung Anfang des Jahrtausends. Seehofer will mit einer Strategie der „null Toleranz“ dagegen vorgehen.

Neun von zehn antisemitischen Straftaten führt das BKA unter „rechts“. Seehofer und BKA-Chef Holger Münch griffen die Kritik daran auf, dass Taten auch dann Rechtsextremisten zugeschrieben würden, wenn die Täter noch gar nicht ermittelt seien. Sie hätten jedoch zwei Jahre lang die Kriterien kritisch überprüft. Diese hätten sich auch im Vergleich zu den später ermittelten tatsächlichen Tätern als zutreffend erwiesen.

Justizministerin Katarina Barley nannte den starken Anstieg von kriminellen Antisemitismus „beschämend“. Die Täter müssten „unmittelbar“ zur Verantwortung gezogen werden. Der Zentralrat der Juden mahnte die politisch Verantwortlichen, nicht hinzunehmen, dass 74 Jahre nach der Schoa Juden in Deutschland wieder einer Bedrohung ausgesetzt seien. Die FDP verlangte ein Gesamtkonzept gegen Rechtsextremismus.

Weil es keine internationalen Ereignisse wie das G20-Treffen 2017 in Hamburg gab, seien die linksextremistisch motivierten Straftaten um 18 Prozent auf knapp 8000 zurückgegangen. Insbesondere im Hambacher Forst habe es eine große Gewaltbereitschaft gegenüber Polizeibeamten gegeben, kritisierte Seehofer. Die rechtsextremistischen Straftaten blieben mit 20.431 knapp auf dem hohen Niveau des Vorjahres. Münch sprach von 35 Gefährdern im rechtsextremistischen Bereich, die jederzeit Anschläge begehen könnten. Weil das BKA nicht ausschließe, dass sich auch neue rechtsterroristische Strukturen entwickeln könnten, sei man hier „sehr wachsam“ und werde zusammen mit der Justiz zügig aktiv, wenn klar sei, dass Rechtsextremisten sich für mehrere Anschläge verabredeten.

Einen starken Anstieg verzeichnete die Polizei bei politisch motivierten Straftaten mit Bezug zu ausländischen Ideologien. Hier stiegen die registrierten Delikte um mehr als die Hälfte auf rund 2500 an. Diese ließen sich vor allem auf kriminelle Kurden zurückführen, die auf das türkische Vorrücken in kurdische Gebiete mit Anschlägen in Deutschland reagierten.

Einen starken Rückgang notierte Seehofer auch bei Straftaten gegen Flüchtlingsunterkünfte. Die Zahl sei von 2016 bis zum letzten Jahr von 995 auf 173 gesunken.

Seehofer kündigte an, dass sich der Bundessicherheitsrat noch im Juni vertraulich mit Cyber-Angriffen befassen und über die Zuständigkeiten für Gegenattacken beraten werde. Dabei werde es auch um eine Grundgesetzänderung gehen, um jederzeit handlungsfähig zu sein.

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